Über die Aufgabe und Vorbereitung der Expedition


von Professor Dr. W. Rudorf

Im Spätsommer und Herbst des vergangenen Jahres (1958) hat der Unterzeichnete eine Vortrags- und Studienreise durch Mexiko, Peru, Bolivien und Argentinien durchgeführt. Es wurden in Vereinbarung mit dem Auswärtigen Amt Vorträge gehalten. In den südamerikanischen Ländern war es aber eine wichtige Aufgabe, die Sammelexpedition vorzubereiten, über die nachfolgend berichtet wird.

Meine Vorbereitungen waren organisatorischer und wissenschaftlicher Art. In Bezug auf die Organisation der Reise wurde mit den deutschen Botschaften in den drei Ländern persönliche Verbindung aufgenommen und das Verständnis und Interesse für diese Expeditionen geweckt. Erfreulicherweise haben die Botschaften in den drei Ländern große Hilfsbereitschaft gezeigt und später auch tätig bewiesen. Ferner wurde mit den Fachministerien der drei Länder persönliche Verbindung aufgenommen und die Minister bzw. die leitenden Beamter dieser Ministerien über die bevorstehende Expedition aufgeklärt und ihre Unterstützung erbeten. Auch bei diesen Behörden habe ich von vornherein die größte Bereitwilligkeit gefunden, die Expedition zu unterstützen. Für die Expedition sind schriftliche Empfehlungen an die Länderbehörden, insbesondere an die Zollgrenzstellen ergangen, die Expedition zu unterstützen. Tatsächlich sind keinerlei Schwierigkeiten an den Grenzen und in den einzelnen Ländern entstanden. Von noch größerer Wichtigkeit waren die Vorbereitungen wissenschaftlicher Art. Ich hatte in Peru, Bolivien und Argentinien Gelegenheit, mit den einheimischen Botanikern und wissenschaftlichen Fachleuten der Ministerien eingehende Unterhaltungen über die Durchführung der Expedition zu führen, wichtige Vegetationslandschaften, die als Standorte der zu sammelnden Wildpflanzen in Frage kommen, zu besichtigen und genaue Informationen über den Vegetationsverlauf der betreffenden Gebiete zu sammeln. Aus diesen Unterhaltungen haben sich gewisse und sehr wichtige Änderungen für die Durchführung der Expedition ergeben.

1. Es mußte die Vorstellung aufgegeben werden, daß die Regenzeit, die für den Vegetationsbeginn und Vegetationsverlauf in den zu bereisenden Gebieten entscheidend ist, Jahr für Jahr und in den verschiedenen Gebieten gleichmäßig sei. Im vergangenen Winter, dem südamerikanischen Sommer, z. B. ist die Regenzeit im allgemeinen um wenigstens einen Monat später als normal eingetreten und die Regenfälle sind auch in verschiedenen Gebieten doch recht unregelmässig. Auf Grund dieser Beobachtung ist der Expeditionsbeginn von Dezember 1958 auf den Januar 1959 verschoben worden, eine wichtige Maßnahme, die für den Erfolg der Sammlung geradezu entscheidend gewesen ist, da eben nur von einem bestimmten Zeitbeginn ab an den Standorten erfolgreich gesammelt werden kann.

2. In Bezug auf die Route der Sammelexpedition konnten die sorgfältigen, im Insitut von den Teilnehmern der Expedition, Dr. Ross und Dr. Rimpau getroffenen Vorbereitungen, die auf dem Studium der Literatur und einem Briefwechsel mit südamerikanischen Wissenschaftlern beruhte, auch nicht befriedigend sein. Die Unterhaltungen mit den Botanikern und landwirtschaflichen Fachwissenschaftlern ergaben erst wirklich zuverlässige Informationen. Aus ihnen mußte aber z. B. geschlossen werden, daß nicht in allen Jahren an denselben Standorten die gleichen Arten auftreten, bedingt durch die Unregelmässigkeiten der Witterung und andere Umstände, wie z. B. Tierfraß u. a. m. Auch hier mußten also vorgefasste Meinungen revidiert und die Expeditionsteilnehmer mußten auf Überraschungen aller Art vorbereitet werden. Es hat sich auch als besonders wirksam erwiesen, daß in Argentinien, Bolivien und Peru ortskundige Wissenschaftler, die im Reisebericht noch einmal gewürdigt werden, u. a. Professor Burkart, Ing. Plóper, Dr. Viirsoo, Dr. Vervoorst, in Bolivien Professor Cardenas und sein Assistent Ing. Alandia sowie Ing. Gandarillas, in Peru Professor Vargas, Professor Ferreyra, Ing. Ochoa und die deutschen Wissenschaftler Dr. Köpke und Frau Informationen erteilt haben. In jedem Land haben auch ein oder sogar mehrere Wissenschaftler die Expedition wochenlang begleitet.

(Die Diskussion mit den mexikanischen und südamerikanischen Wissenschaftlern und die eigenen Studien und Beobachtungen haben mich veranlaßt, die Probleme der Sammlung, der Erhaltung und der Auswerung von Wildpflanzen unser Kulturarten zu durchdenken und die Ergebnisse nach einer Besprechung mit den Fachwissenschaftlern der F.A.O. in einem Aufsatz niederzulegen (Plant Introduction Newsletter No. 5., 1959), der hier beigefügt wird - Anlage 1. Es sei nur erwähnt, daß die Sammlung, die Erhaltung und Auswertung der Wildpflanzen als eine internationale Forschungsaufgabe aufgefaßt werden muß. Anläßlich des Kongresses der Europäischen Gesellschaft für Züchtungsforschung -EUCARPIA- sind diese Fragen in der Sektion "Wildarten und Primitivformen" erörtert worden. Es wäre wünschenswert, wenn der deutsche Vertreter bei der F.A.O. diese Gesichtspunkte vertreten würde.)

3. Die Informationen, die bei den genannten Wissenschaftlern eingeholt werden konnten, führten zu einer Änderung der Aufgabenstellung bezüglich der zu sammelnden Arten. Die Wildarten der Kartoffel haben ihre Wichtigkeit behalten. Das gleiche gilt für die Tomaten und für Phaseolus. Eine sehr wichtige Änderung ergab sich aber dadurch, daß die Informationen in den Ländern und eigene Beobachtungen zu Beginn der Vegetation die Bedeutung der Lupinenarten in einem neuen Licht erscheinen ließ. Ich konnte deshalb der Expedition noch die besondere Aufgabe stellen, auf die Sammlung von Lupinenarten besonderen Wert zu legen. Auf die Sammlung von Maisformen ist auch mehr Wert gelegt worden, als zunächst vorgesehen war, weil sich herausgestellt hat, daß in großen Höhenlagen sehr frühreife Formen, die durch natürliche Selektion an rauhes Höhenklima angepaßt sind, vorkommen. Sie können sich unter Umständen für die Züchtung in Deutschland als vorteilhaft erweisen.

Aus dem Reisebericht von Privatdozent Dr. Hans Ross und Dr. Rudolf Rimpau und aus der Liste der gesammelten Arten geht hervor, daß die Expedition mit sehr gutem Erfolg durchgeführt werden konnte. Über die Bearbeitung des gesammelten Materials werde ich noch Vorschläge machen. Soweit die gesammelten Arten bereits im Forschungsprogramm des von mir geleiteten Institutes enthalten sind, können sie natürlich hier bearbeitet werden, doch kann selbstverständlich an andere interessierte Forschungsinstitute Material abgegeben werden. Für andere Arten, z. B. Tomaten, muß noch eine Lösung gefunden werden, da meines Wissens zur Zeit in keinem deutschen Institut die Züchtung der Tomate auf einer genügend breiten Grundlage, d. h. unter Einschluß der Wildarten, betrieben wird.

Auf Grund meiner eigenen Reiseeindrücke hatte ich die Expeditionsteilnehmer besonders nachdrücklich auf die Sammlung von Samen und die Vermehrungsorgane von Zierpflanzen hingewiesen. Wie die Listen ausweisen, sind zahlreiche Zierpflanzenarten gesammelt worden. Über ihre Verwendung werde ich noch Vorschläge machen. Soweit es sich um lebendes Material handelt, ist es einstweilen dem Botanischen Garten in Köln zur Pflege übergeben worden.

Ich benutze diese Gelegenheit, um noch einmal dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften meinen herzlichsten Dank für die Unterstützung zur Durchführung dieser Forschungsexpedition auszusprechen. Nachdem ich in 30-jähriger eigener Forschungsarbeit die Bedeutung der Wildarten als Genreservoir für die Forschung und Züchtung an Kulturpflanzen erkannt habe, ist es mir eine besondere Genugtuung gewesen, für die Anregung zu dieser Reise die notwendige Unterstützung zu finden. Den Herren Privatdozent Dr. Ross und Dr. Rimpau und auch dem jungen Botaniker Herrn Diers gebührt höchste Anerkennung für ihre große Begeisterung, ihre Umsicht und den Einsatz aller ihrer Kräfte. Sie haben die Expedition mit guten Erfolg durchgeführt.