8. Abschnitt: Nördlicher Altiplano mit Cuzco und Abstecher ins Urubambatal.

Am 12. wieder in Juliaca, in der Nähe des Titicacasees zurück, starteten wir am 13. nach Juzco. Nun befanden wir uns wieder auf dem Altiplano. Oft trafen wir Herden der aristokratischen Lamas, manchmal untermischt mit Alpacas. Sie machen neben den Schafen die Viehzucht des Altiplano aus. Die wild lebenden Vicuña und Guanaco bekamen wir nicht zu Gesicht. Es ist von hohem Reiz, die selbstbewussten Tiere zu beobachten, die jede Berührung scheuen. Sehr hübsch sind die reinen Farben der Jungtiere.

Lamas auf der Weide
Die stark befahrene Straße war etwas besser instand gehalten. Wir fanden bei Sicuani (3600m) neben Lupinen Solanum punoense, S. raphanifolium, S. pumilum und S. canasense, außerdem die bekannte Punaart S. acaule.

Bei den Arten der Puna und den angrenzenden Formationen ist natürlich eine Frostresistenz zu erwarten. Es ist dringend gewünscht, daß nicht nur mit S. acaule auf dieses Ziel hin gezüchtet wird. Es stehen, wie wir feststellten, als Angehörige sehr hochgelegener Formationen auch Arten der sicher züchterisch einfacher zu behandelnden Serie Tuberosa zur Verfügung. Für die Landwirtschaft erfreulich wäre es, wenn die Frostresistenz nur das Kraut beträfe und nicht die Knolle. Denn die etwa bei der Ernte im Boden liegengebliebenen Knollen sollen aus verschiedenen Gründen erfrieren.

Wir haben tatsächlich Hoffnung, daß die Knollen auch frostfester Arten frostanfällig sind. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß in großen Höhen über 3500 m in den Anden fast jeder Tag ein Frostwechseltag ist, d. h. die Temperatur sinkt fast allnächtlich unter Null. Aber das trifft nur für die Lufttemperatur zu. Der Boden wird durch die Sonne tagsüber so stark erwärmt, daß er nachts nicht gefriert. Es ist also kein Selektionsdruck für Forstresistenz der Knolle gegeben.

Jesuitenkirche in Cuzco
Am 14.4. kamen wir in Cuzco (3500m) an. Bis zum 22. 4. wurde diese alte Hauptstadt des Inkareiches unser Standquartier für nähere und weitere Exkursionen in die Umgebung. Die bemerkenswerte Geschichte dieser Stadt ist überall zu spüren. Unser Hotel war in einem der alten Inkapaläste hineingebaut. Eine der Umfassungsmauern aus schwarzem Gestein bildete die Hauswand unseres Hotels. Auch in Cuzco waren viele Kirchen und andere Gebäude durch Erdbeben stark mitgenommen. Die Entwicklung der Stadt scheint zu stagnieren. Das Elend und die Armut der indianischen Bevölkerung ist mir nie so stark zum Bewußtsein gekommen wie hier. Die Stadt liegt in einem Zentrum indianischer Kultur und Landwirtschaft. Ihr weiteres Schicksal hängt davon ab, ob und wann der Indio aufwacht und an seinem Staat Interesse gewinnt.

Prof. Vargas, mit deutlich merkbarem Anteil indianischen Blutes, ist Ordinarius für Botanik an der Universität. Da es in Cuzco kein Botanisches Institut bzw. Museum gibt, war er gezwungen, aus eigenen Mitteln in seinem Hause ein Herbarium mit mehreren Arbeitsplätzen zu unterhalten. Wir lernten bei ihm Herrn Dr. Carrillo kennen, der Botanik an der landwirtschaftlichen Fakultät liest. Er ist ein Lupinenspezialist, der uns mit seinen Kenntnissen bei der Bestimmung unserer Lupinen geholfen hat. Einen großen Teil unserer Expedition in Peru machte er als netter, urwüchsiger, unermüdlicher Kamerad mit.

Dr. Carillo mit Solanum
Im Herbar von Prof. Vargas studierten wir die mannigfachen, uns interessierenden Exsikkate von Solanum, Phaseolus, Lycopersicum, Lupinus, Zierpflanzen etc.

Wir machten einige kürzere Exkursionen in die Umgebung, die uns neben einigen bekannten Solanumarten auch noch nicht beschriebene einbrachten und starteten dann mit Prof. Vargas, Dr. Carillo und Señor Perez ins Urubambatal, wo diesmal Phaseolus eines der Hauptziele war. Dr. Vargas begleitete uns nur bis zum Urubamba, wo er ein Haus besitzt. Für die Weiterfahrt teilten wir uns in die Route. Dr. Rimpau und Señor Perez fuhren bis jenseits der Cordillera Vilcabamba an den Osthang bis auf 1200 m hinunter. Dort in Quillabamba waren Phaseolus spec. zu erwarten. Dr. Carillo und ich sammelten im mittleren Urubambatal bis zur Höhe von Machupicchu (1800m). Die Exkursion wurde soweit wie möglich mit der Bahn, sonst zu Fuß durchgeführt.

Seit unseren Funden von Phaseolus aborigineus in NW-Argentinien war es uns nicht gelungen, weitere Phaseolus-Arten zu finden. Phaseolus-Arten kommen offenbar auf dem Altiplano nicht vor. In den höheren Lagen des Urubambatales bei 2800 m fanden wir zunächst eine Phaseolus spec., die mit Phaseolus lunatus fast identisch war, und sich fast nur durch die kleinen Früchte unterschied. Wir haben sie provisorisch ssp. silvestris genannt. Wir erinnerten uns der Diskussionen mit Prof. Burkart, der die kleinsamigen lunatus-Formen als Stammform der kultivierten Limabohne Phas. lunatus ansah. Phas. lunatus ssp. silvestre würde als zu Phas. lunatus im selben Verhältnis stehen wie Phas. aborigineus zu Phas. vulgaris. Wir konnten mehrere Herkünfte der ssp. silvestre sammeln, die weit entfernt von menschlichen Siedlungen kaum als verwildert, sondern als echte Wildart gelten konnten. Allerdings fanden wir sie nur im Urubambatal. Die weitere Beute, die Dr. Rimpau in der Gegend von Quillabamba an Phaseolus-Wildarten machte, war überraschend groß. Neben den Arten Phas. adenanthus, erythroloma und atropurpureus wurde eine Anzahl noch unbeschriebener gefunden, ein reiches Material für spätere taxonomische, cytogenetische und Resistenzstudien.

Urubambatal
Das Urubambatal zwischen Pisac und Machupicchu erwies sich als eine Fundgrube für Solanum species. Insgesamt sammelten wir 14 Nummern, darunter wertvolle, in den lebenden Kollektionen neue Arten der Serie Conicibaccata: S. rockefelleriae, S. urubambae, S. marinasense und die Tuberosa S. coelestispetalum. Die Arten gehören meistens der hygrophytischen Formation des immergrünen Bergregenwaldes an und lassen Resistenz gegen Phytophthora und andere Feuchtigkeit liebende Parasiten vermuten.

Orchidee und Begonia bracteosa
Das schönste Erlebnis waren hier wiederum die Orchideen, die in reicher Fülle die Hänge des Tales bei Machupicchu bedeckten und von denen wir ca 14 verschiedene Arten in lebenden Exemplaren sammelten. Machupicchu selbst ist der archäologische Glanzpunkt Perus. Der US-Amerikaner Bingham entdeckte im Jahre 1911 diese Inka-Stadt, versteckt unter Schutt und üppiger Vegetation und grub sie aus. Fast ganz unversehrt, gibt sie mit ihren Häusern, Tempeln, Befestigungen und Plätzen einen prächtigen Eindruck vom Leben der Inkabevölkerung. Einzigartig ist die Lage, 800m über dem Urubambatal auf einem Sattel zwischen zwei hoch aufragenden Bergen. Ein sehr gutes staatliches Hotel tut das Übrige, um sich hier wohl zu fühlen. Wir nahmen Lupinenarten, Orchideen und zahlreiche Zierpflanzen von hier mit.

Machupicchu Gesamtansicht

Auf der Rückfahrt genossen wir die Gastfreundschaft von Prof. Vargas und seiner liebenswürdigen Gattin in seinem schönen Haus in Urubamba.

In Cuzco zurück, machten wir die nächsten Sendungen nach Lima fertig für den Luftkurier und traten dann die Weiterreise nach Lima mit unserem Dodge an. Prof. Vargas und Dr. Carillo hatten die Freundlichkeit, uns auch auf dieser Strecke zu begleiten.