7. Abschnitt: Südlicher Andenwestfuß Perus (Tacna, Arequipa).

Es war unsere Absicht, von Puno aus, mit Prof. Vargas und Señor Perez, einen längeren Abstecher über die Andenwesthänge bis hinunter nach Tacna und Arequipa zu machen, um die dort vorherrschenden extrem xerophytischen Verhältnisse kennen zu lernen. Dies Gebiet war noch nicht abgesammelt worden,

Busstop bei Llave
Wir versuchten zunächst einen Linienbus zu nehmen. Der aber blieb schon am Anfang der Strecke auf der Straße liegen und schleppte sich nur mit Mühe nach Llave, 70 km von Puno entfernt, zurück. Als nach langem Warten kein Ersatz erschien, holte Herr Dr. Rimpau unseren eigenen Wagen. Die wellblechartige Struktur der Straßen, die um kein Haar besser waren als die Boliviens, versetzte den Wagen in eine Rüttelbewegung, so daß wir bald mehr als genug hatten. Aber wir mussten durch. Der Wagen an sich hielt sich wacker und führte uns über den 4680 m hohen Livini-Pass an den Andenostfuß. Die Eigenheit der Vegetation in dieser östlichen Hochpuna nahm uns recht gefangen. Riesige Hartpolster von Yareta (Azorella spec.) wölbten sich mehr als 1 m hoch auf den Steinhalden. Dazwischen die gesellig wachsenden Kakteen, Opuntia floccosa und andere Polsterkakteen sowie Tolaheide etc. Oben auf dem Pass hörte die Vegetation ganz auf, Solanumarten wurden nicht gefunden, aber immer wieder Lupinus. Wir machten uns klar, daß es möglich werden würde, eine Kollektion von Lupinus spec. zustande zu bringen, die es sonst wohl nicht gab. Wir betrachteten die Sammlung von Lupinus spec. als Ersatz für die beabsichtigte Sammlung von Kürbis. Letzteres hatte sich nämlich wegen der schwer zu handhabenden Früchte als äusserst schwierig und für den Ablauf der Expedition hemmend herausgestellt.

In Tarata fanden wir bei 3400 m in mesophiler Formation das von Ochoa benannte aber noch nicht beschriebene Solanum tacnaense. Opuntia exaltata und corotilla, Cereus peruvianus, Baccharis spec. Eupatorium spec., Cassia spec. und Crassula spec. waren die Begleiter.

Tillandsienwüste, Tillandsia straminea
Je tiefer wir kamen, umso trockneres Klima zeigte die Vegetation an. Schließlich beschränkte sich das Pflanzenleben auf Flechten, die sich an der Windseite kleiner Hügel angesiedelt hatten und auf Tillandsien, die in wellenförmiger Anordnung oder von Winde zufällig hin und hergetrieben, große Strecken sonst völlig toten Sandes bedecken. Diese Erdtillandsien, vor allem T. straminea, sind mit den Wurzeln nicht im Boden verankert, sondern liegen dem Sand frei auf. Ihre Wurzeln sind in die innere Gewebe hineingewachsen. Die Feuchtigkeit entnehmen sie dem Tau und dem Nebel.

Stop in der Wüste
Der Andenwesthang und die vorgelagerte Ebene bis zum Pazifik ist eine vollkommene Wüste, in der es praktisch niemals regnet.

Dennoch gibt es Ackerbau in den bewässerten Auen der wenigen größeren Flüsse, wo sich auch Städte entwickelt haben. Wir übernachten in Tacna, einer solchen Stadt, in der es niemals regnet.

Marktplatz in Tacna
Von Tacna ging es durch die sonnendurchglühte Wüste des Westhangs nach Moquegua und von dort nach Arequipa. Jede Stadt hat ihr ganz eigenes Gepräge, weil die großen Entfernungen und die schlechte Verkehrslage einer Angleichung in den Lebensgewohnheiten, Bevölkerungsmischung, Architektur etc. nicht eben förderlich sind.

Arequipa
Der Westhang der Anden und die Küstenwüste sind das Verbreitungsgebiet der Wildtomaten, deren Sammlung einer unserer weiteren Aufgaben war. Wir fanden die erste bei Tarata in 3400 m Höhe. Es ist möglicherweise eine neue Art, sie paßt bis heute auf keine Diagnose. Diese Höhenlage läßt Frostresistenz vermuten.

Kakteen auf der Mauer in Tarata
In dem sehr trockenen Tal des Rio Moquegua, das fast ganz vegetationslos war, fanden wir die für die Region typische Art S. chilense. Es ist rätselhaft, wie diese Pflanzen, denen man keinerlei Trockenschutz anmerkt, völlig ohne Regen auskommen können.

In der Gegen von Arequipa, das schon wieder in 2300 m Höhe liegt, trafen wir auf die Arten Solanum sandemanii und weberbaueri, die ebenfalls xerophil sind.

Die Frage der Trockenresistenz bei den Solanumarten hat uns sehr beschäftigt. Vielleicht besitzt sie für Deutschland nicht die gleich große Bedeutung wie für viele Gebiete Afrikas und Asiens, aber gerade dieses Jahr hat auch bei uns gezeigt, welche Einbußen am Ertrag ein sehr trockener Sommer hervorruft.

In den xerophilen Formationen sind die Solanumarten sehr oft mit Kakteen vergesellschaftet. Zum Teil mag dies auf dem Schutz beruhen, den die Pflanzen in einem Kakteendickicht gegen Tierfraß und zu starke Sonnenbestrahlung genießen. Die Vergesellschaftung könnte aber auch bedeuten, daß Kakteen und die xerophilen Solanumarten gleiche Eigenschaften besitzen, die sie dürreresistent machen. Während der Kaktus einen wasserspeichernden Körper besitzt, der ihm das Überstehen langer Trockenzeiten ermöglicht, hat bei Solanum die Knolle diese Funktion. Sie gestattet es der Pflanze, nach Beendigung der Trockenzeit ein rasches Wachstum zu beginnen. Aber auch während der Vegetationsperiode, in der der Regen nur spärlich und episodisch fällt, müssen die xerophilen Solanumarten Einrichtungen gegen Austrocknen besitzen. Vielleicht ist die Knolle auf eine längere Wasserversorgung des Sprosses eingerichtet. Wir fanden gerade bei den Arten der xerophytischen Formationen die Knollen länger erhalten als üblich. Ein Teil der Arten hat zudem eine stark reduzierte Blattspreite, wie S. infundibuliforme, während andere die normale Blattform besitzen.

Ein Wort noch zu den Arten einer speziellen Formation, die nur unter den besonderen Bedingungen der Westküste Südamerikas anzutreffen ist. Trotz der Regenlosigkeit kann sich an gewissen Stellen eine blühende Kräuterflora entwickeln. Es ist die Loma-Formation. Sie verdankt ihr Dasein dem Nebel, genannt Garua, der in den Monaten Mai bis November sich fast täglich bildet. Er bringt offenbar ausreichende Feuchtigkeit zu den Pflanzen. Es ist zweifelhaft, ob diese Loma-Arten dürreresistent sind. Der Charakter ist allgemein der der Schattenflora. Man findet auch Farne und Begonien etc.

Es gehören 6 Solanumarten zu dieser Formation. Sonderbarerweise sind nicht alle Arten auf die Küstenloma beschränkt. Wir sammelten die beiden Loma-Arten S. weberbaueri und S. medians vielmehr auch in der durchaus nicht xerophytischen Bergmattenformation der Andenwesthänge. Merkwürdig ist weniger das Vorkommen in feuchten Lagen, als der ganz entgegengesetzte Wuchsrhythmus, dem diese Arten in den Höhenlagen unterliegen. In der Loma blühen und fruchten sie im August bis Oktober, in den Bergmatten zwischen Februar und Juni.

Arequipa und Chachane
Arequipa ist durch ein Erdbeben ziemlich zerstört, hat aber doch noch eine schöne alte Architektur. Es wird von dem Vulkan Misti überragt, an dem vorbei wir wieder zu den Anden hochfuhren. Der Motor nahm die schweren Wege und die großen Höhenunterschiede sehr gut. Aber auf der Höhe des Titicacasees, noch dazu nach Einsetzen der Dunkelheit bekam die Steuerung ein immer grösseres Spiel. So sonderbar es klingt, aber es bedurfte einer großen psychischen Anstrengung, um nachzusehen, was los war. Eine Schraube, die die Steuerstange mit der Radstange verband, hatte sich gelöst. Nur mit Mühe konnten wir sie festdrehen und mussten sie in Juliaca ersetzen. Dort entdeckten wir auch den ersten Federbruch, der trotz der Entlastung des Wagens an überflüssigem Gepäck passiert war.