5. Abschnitt: Südlicher Altiplano mit Oruro, La Paz und Abstecher in die Yungas

Um eine Ruhepause zu haben, benutzten wir bis Oruro die Bahn und hatten den LKW verladen. In Oruro kam uns Ing. Alandia nachgeflogen, und wir nahmen über den Altiplano Kurs nach La Paz.

Bahnstation auf der Strecke nach Oruro

Die Landwirtschaft des Altiplano wird vorwiegend von Indios betrieben. Neben Kartoffen werden angebaut die Knollengewächse Oca (Oxalis tuberosa), Ulluco (Ullucus tuberosus), Isanu (Tropaeolum tuberosum), weiter Bohnen, und die Samenpflanzen Quinoa (Chenopodium quinosa), Kanahua (Ch. pallidicaule), Gerste, Lupinus mutabilis etc.

Auf der Strecke nach Oruro
Obwohl die Knollenfrüchte einen für Europäer wenig angenehmen Geschmack besitzen, wurden einige Sorten eingesammelt, um ihre Anbau und züchterischen Möglichkeiten für Deutschland zu prüfen. Quinoa scheint uns noch die besten Aussichten zu haben. Im Geschmack ähnelt des dem Weizengries. Nach unseren bisherigen Erfahrungen hat es beim Anbau in Deutschland die Eigentümlichkeit, sehr schnell zu blühen und zu fruchten, so daß die Pflanzen nur niedrig bleiben und wenig Ertrag geben. Das zu ändern wäre eine züchterische Aufgabe.

Quinoa im Anbau
An Wildkartoffeln fanden wir neue Standorte von S. acaule und S. gandarillasii, aber auch S. sucrense, S. anomalocalyx und eine wohl unbeschriebene Art.

Oruro
Bei der Fahrt über den Altiplano bot sich vor La Paz zum ersten Mal der Anblick auf eine Reihe schneebedeckter Gipfel in voller Schönheit. Erst tauchte die Kordillere von Quimzacruz auf, dann die prächtigen Gipfel des Illimani und des Huayna Potosi in der Cordilliera Real. Beide Kordilleren bilden die östliche Randkette des Altiplano.

La Paz
Am 24. 3. kamen wir in La Paz an. La Paz (335000 Einwohner), die bolivianische Hauptstadt liegt am Boden eines Kessels in 3350 m Höhe. Der Rand des Kessels, den man mit der Straße in El Alto erreicht, liegt in 4100 m Höhe. Es gibt wohl keine Ansicht der Welt, die sich mit dem Blick von El Alto auf das 750 m tiefer liegende La Paz messen kann. Leider beeinträchtigt die Kühle das Leben der Stadt ziemlich. Wir fühlten uns wohl bei der deutschblütigen, mit Krügers verwandten Familie Hans Bayer.

Nach dem Abschied von Ing. Alandia, dem wir für treue Kameradschaft während mehr als 4 Wochen zu danken hatte, war es eine unserer ersten Aufgaben, Verbindung mit der Deutschen Botschaft aufzunehmen. Wir fanden in Legationsrat Haferkamp einen Herrn, der unserer Expedition großes Interesse entgegenbrachte. Ein Artikel für eine La Pazer Zeitung wurde zusammengestellt. Wie in Buenos Aires war man auch hier bereit, unsere Sendungen als Kurierpost mit Flugzeug nach Deutschland zu senden. Der Zeitraum betrug ca. 14 Tage. Alle Sendungen sind ohne Verluste angekommen.

Hier ist noch folgendes zu vermerken. Von den Kultursorten sammelten wir ausschließlich die relativ großen Knollen. Wir nahmen sie später als Gepäck mit aufs Schiff. Von den Wildarten sammelten wir Beeren und Knollen. Die Knöllchen der Wildarten sind oft nicht mehr als bohnengroß. In Argentinien sammelten wir oft Mutterknöllchen, da die neuen noch nicht gebildet waren. Dabei sind leider nur 1/3 gekeimt und der Rest liegt jetzt noch in Keimruhe oder ist verfault. U. E. gibt es keine bessere Methode als die Verschickung per Luft und die sofortige Auslage. Verluste müssen in Kauf genommen werden. In den meisten Fällen wurden die Verluste der Knöllchen dadurch wieder ausgeglichen, daß von denselben Herkünften auch Beeren gesammelt worden waren.

Wie mit Prof. Cardenas, so hatte Professor Rudorf auch mit Ing. Gandarillas in La Paz unsere Expedition besprochen, so daß wir mit einem Programm erwartet wurden. Ing. Gandarillas ist der Subdirektor des Servicia Interamericano für Bolivien. Von gründlicher US-amerikanischer Schulung, arbeitsfreudig und energisch hätte man sicher keinen besseren Mann für diesen Posten finden können. Mit Geschick bewältigte er auch die schwierige Situation, die darin besteht, daß das bolivianische Volk gegenüber den Nordamerikanern eine wenig freundliche Haltung einnimmt, obwohl die Bedeutung der Unterstützungen bekannt ist.

Ing. Gandarillas führte uns zunächst in seinen Experimentiergarten, wo er Bastarde des frostresistenten S. curtilobum (2n = 60) mit S. andigena besaß. Hierüber und über die verschiedenen Virussymptome in seiner Kollektion ergab sich eine interessante Diskussion. Dann zeigte er uns die im Stadtgebiet von La Paz vorkommenden Solanum-Formen, die wohl alle zur Art S. sparsipilum gehören. Wir fanden sie auf wüsten Plätzen, an Grabenrändern etc.

Mit Gandarillas unternahmen wir zwei Exkursionen, die im praktischen Jeep durchgeführt wurden.

Die erste führte über die Estacion Experimental des Altiplano in Belén nach Sorata. Die Station machte einen ausgezeichneten Eindruck. Es werden Anbau- und Düngungsversuche mit verschiedenen Sorten von Andenkartoffeln, Weizen, Gerste, Hafer, Luzerne, Zottelwicke und Quinoa vorgenommen. Die deutschen Weizensorten rangieren mit 2/3 des Ertrages der besten Sorte etwa in der Mitte der Ertragstabelle.

Im Gewächshaus wird eine Wildkartoffelsammlung unterhalten, die einige für uns neue Arten enthielt. Großzügigerweise überließ uns Gandarillas davon Material.

Bei der Weiterfahrt nach Sorata kamen wir an der Schule für Indiolehrer "Warisata" vorbei, die durch mehrere Reiseschriftsteller auch in Deutschland bekannt geworden ist. Ein neues Gebäude mit US-Hilfe erbaut, dient zur Heranbildung von Lehrern für die Indios. Die Erziehung der Indios ist die absolute Grundlage für jede Weiterentwicklung des bolivianischen und auch peruanischen Staates. Wir begrüssten den Leiter und ließen ihm einige freundliche Worte übersetzen, die mit einer Mischung von Freude und Rührung aufgenommen wurden.

Wir wandten uns nunmehr dem Pass zwischen der Cordillera Real und der Cordillera de Muneca zu, hinter welchem Sorata am oberen Rande des Rio Consata-Rio San Cristobal liegt. Der Pass wird rechts flankiert von einem Schneegipfel der Cordillera Real, dem Illampu (7014 m). Wir überfuhren ihn in 4500 m Höhe.

Auf dem Pass ist von Gandarillas und Cardenas das Solanum achacachense gefunden worden. Diese Art muß frostresistent sein. Wir versuchten sie wieder zu finden, sind aber nicht sicher, daß wir Erfolg hatten, weil die Art sehr klein ist, und wir nur einige Knöllchen unter fast abgestorbenen Pflanzen fanden, die auch S. acaule sein könnten.

Wunderschön war die Fahrt hinunter nach Sorata. Man fühlte sich in die Schweiz versetzt. Hier gab es als Delikatesse, eine weitere Art der phytophthoraresistenten Serie Circaeifolia, das S. circaeifolium. Es kam in einer Art Ceja-Formation vor, die aber etwas zu trocken war, um voll ausgebildet zu sein.

Sorata konnte unser besonderes Interesse auch deswegen beanspruchen, weil hier Prof. Schick auf seiner Expedition im Jahre 1930 die andigena Sorte Hanco Imilla gesammelt hatte, aus deren Selbstungen ein Sämling hervorging, der zu den blattrollresistenten Formen gehörte, die wir besitzen. Wir fanden diese Sorte auch wirklich wieder.

Interessant waren auch die Sorten von Phaseolus vulgaris, die hier in besonderer Mannigfaltigkeit vorkamen.

Unduavital mit Ceja
Die zweite Exkursion führte mich am Ostersonntag mit Ing. Gandarillas über die Cordillera Real in das Unduavital zu den Yungas von La Paz, wo wir S. yungasense und S. violaceimarmoratum zu finden hofften. Nach langem ermüdenden Suchen, aber in der herrlichen Natur des immergrünen Nebel- und Regenwaldes fanden wir die letztere Art. Es war der erste Vertreter der Serie Conicibaccata, dem wir begegneten. Diese Serie ist, wie wir später feststellten, typisch für die stark humiden Formationen in allen Höhenlagen, von den immergrünen Regenwäldern mittlerer Höhenlagen über die Nebelwälder zwischen 2000 und 3500 m bis zu den Paramos der Hochflächen Ecuadors und Kolumbiens. Wenn überhaupt, dann müssen in dieser Serie hoch phytophtoraresistente Arten und Herkünfte vorkommen. Cardenas und Gandarillas bezeichneten denn auch das S. violaceimarmoratum als unseren wichtigsten Fund.