4. Abschnitt: Cochabamba und Abstecher an den Andenwestfuß (Santa Cruz).

Cochabamba

Cochabamba (2570m) empfing uns mit einem entschieden angenehmeren Klima, als wir es bisher von grösseren Städten gewohnt waren. Eine sehr emsige Stadt, nicht so altspanisch wie Sucre oder mit solch starkem indianischen Einschlag wie Potosí. Cochabamba hat 80.000 Einwohner, ist die zweitgrößte Stadt Boliviens und besitzt eine der drei Universitäten des Landes. Professor Cardenas, Ordinarius der Landwirtschaftliches Fakultät und Dozent an der Landwirtschaftsschule, führte uns durch seine Räume und seinen kleinen botanischen Garen, in dem er mit besonderer Liebe eine Kakteensammlung aufgebaut hat. Interessant waren u. a. Fragaria chiloense, die in der großfrüchtigen Gartenform in Südamerika früher unsere Ananaserdbeere (Bastard F. chiloense x virginiana) ersetzt hat. Jetzt ist sie aber im Verschwinden. Leider fruchtete sie in Cardenas' Garten nicht. Er sicherte uns aber Samen der nächsten Ernte zu.

Die Universität ist ein relativ kleiner Bau, um den sich einige Neubauten der Fakultäten gruppieren. Rektor und Professoren gaben uns ein Lunch im Club Social. Es verlief sehr angeregt, obwohl von den ca. 20 Professoren als einziger Cardenas eine zweite Sprache beherrschte. Die Universitäten Boliviens und Perus genießen in der gebildeten Öffentlichkeit nicht die Wertschätzung, die für Universitäten bei uns selbstverständlich ist. Sie gelten dort als "nicht gut", und die "Familien" schicken ihre Söhne zum Studieren ins Ausland. So finden sich auf den Universitäten Mischlinge und Indios in größerer Zahl.

Besonders dankbar haben wir der seit zwei Generationen in Cochabamba ansässigen, deutschblütigen Familie Krüger zu gedenken. Von vollendeter Gastfreundschaft erleichterte sie uns vieles, sowohl bei unseren wissenschaftlichen Aufgaben wie beim Verständnis des Landes. Die Tochter, Frau Ing. Agr. Krüger-Ochoa hat die Bastardierung von Solanum brevicaule mit S. stenotomum bearbeitet. Sehr interessiert an unserer Expedition begleitete sie uns auf den Exkursionen in die Tunarikordillere, nach Recoleta und Toralapa.

Professor Cardenas stellte uns sein Herbar zum Studium zur Verfügung und bot uns und später Herrn Diers ein Zimmer zum Übernachten an, was wir dankbar annahmen.

Coari, Puna, Lokalität von Solanum megistracolobum

Die Exkursionen in die nähere und weitere Umgebung mit Prof. Cardenas, Frau Krüger-Ochoa, Elias, dem indianischen Assistenten von Prof. Cardenas und Ing. Quintanilla vom Servicia Agricola brachten uns reiche Beute. Besonders bemerkenswert war der Fund einer Art der Serie Circaeifolia Solanum capsicibaccatum, dessen extreme Phytophthoraresistanz Alandia festgestellt hatte. Wir besuchten weiter die Versuchsfelder des Servicia Agricola in Coari, auf denen sich eine große Sammlung von Sorten von S. andigena und anderen kultivierten Solanumarten befanden. Freundlicherweise wurde uns erlaubt, Knollenproben fast von der ganzen Kollektion mitzumehmen. Der Hauptschädling in dieser Gegend war eine Thrips-Art, die die Blätter so stark schädigte, daß die Pflanzen abstarben. DDT-Mittel halfen aber ausgezeichnet. Die Sammlung war nicht frei von Viren. X- und Y-Virus waren leicht zu erkennen und Proben wurden entnommen zur Vervollständigung unseres Sortiments an Virusstämmen. Ob auch das Blattrollvirus anwesend war, blieb fraglich. Deutliche Symptome waren nicht zu erkennen.

Die Organisation der Kartoffelzüchtung steht z. Zt. noch sehr in den Anfängen. Neuzüchtungen werden in geringem Umfang von Cardenas, Alandia und Ing. Gandarillas in La Paz vorgenommen. Das Ziel ist dabei die Verbesserung der Erträge und neuerdings auch die Frostresistenz, da die bereits frostresistenten Arten S. juzepczukii, S. curtilobum und S. ajanhuiri schlecht schmecken. Die Frostresistenz erschien auch uns als ein Hauptproblem. Wir sahen auf dem Altiplano oft durch Frost zerstörte Kartoffenfelder. Der Frost setzt allerdings meistens erst gegen Ende der Vegetationsperiode ein. Erhaltungszüchtung oder Saatguterzeugung wird auf primitive Art betrieben, indem die Indios niederer virusgefährdeter Lagen Saatgut aus höheren Lagen beziehen. Dabei findet keinerlei Kontrolle oder Prüfung auf wirkliche Virusfreiheit statt. Unter den Viruskrankheiten ist sicherlich das Y-Virus am weitesten verbreitet. Große Hindernisse bei der Verbesserung der Situation sind das Fehlen von Transportmöglichkeiten für Saatgut, die mangelhafte Unterrichtung der Indios und deren Vorliebe für den Anbau vieler ertragsschwacher Sorten, noch dazu in Gemischen. Auf unseren Rat sollten zunächst die Arbeiten auf die Zentren des Kartoffelbaus konzentriert werden, d. i. die Gegend um Cochabamba, Potosí und um den Titicacasee, die bessere Vekehrsmöglichkeiten haben. Hier wären Gesundlagen ausfindig zu machen und die Virusresistenz, Erträge usw. der dort angebauten Sorten zu untersuchen, und bei den besten einen Klonaufbau zu beginnen. Sicher wäre es günstig, wenn ein europäischer oder nordamerikanischer Fachmann beim Start helfen würde.

Vor unserer geplanten Exkursion an den Andenostfuß bereiteten wir einiges für Herrn Diers Aufgaben vor. Ein Student wurde ausfindig gemacht, der Herrn Diers als Landes- und Fahrkundiger bei seinen Untersuchungen in den Yungas begleiten sollte. Absprachen wegen eines Wagens wurden getroffen und Prof. Cardenas war freundlicherweise bereit, ihm ein Zimmer in seinem Haus zur Verfügung zu stellen. Auch die Familie Krüger wollte ihm helfen.

Am 16.3. starteten wir mit Prof. Cardenas und Ing. Quintanilla in einem Jeep des Servicio Agricola auf der Pavimentada zu dem Abstecher nach Vallegrande, der aber wegen Wegeschwierigkeiten etwas abweichend nach Santa Cruz führte.

Etwa bei 2000m änderte sich der Charakter der Landwirtschaft vom Altiplanotyp zum subtropischen. Rindvieh- und Pferdezucht trat hervor. Yuca (Manihot aipi und utilissima) und Camote (Ipomea batata) ersetzen die Kartoffel und die anderen Hochlandknollengewächse. Schließlich bei Santa Cruz (450m) machten wir Bekanntschaft mit Kulturen von Bananen, Erdnuß, Baumwolle, Palmfrüchte, Chirimoya (Frucht) und Mate.

Wie schon auf der ersten Exkursion an den Ostabhang, waren Solanum species nur in den Höhen bis ca. 2500m abwärts zu finden. Neben weiteren Herkünften der bereits bekannten Solanum capsicibaccatum, S. gandarillasii und S. megistacrolobum (die Art S. toralapanum ist u. E. nur ein Synonym von S. megistacrolobum) wurden neu gesammelt S. alandiae, S. cevallos-tovarii und S. torrecillasense. Diese Arten gehören zu der Formation der Bergmatten bzw. der Ceja an und sind bisher in den lebenden Kollektionen nicht vertreten.

Bemerkenswert unter den kultivierten Arten der Indios war eine Form des triploiden S. chaucha. Diese Art ist zwar wenig ertragreich (die Herkunft erwies sich zudem als Y-krank), aber sie hat keine Keimruhe, so daß der Bauer viermal im Jahr ernten konnte.

Versperrter Weg nach Vallegrande
Aufnahme Rimpau

In Mataral nahmen wir die Abzweigung nach Vallegrande, konnten aber nach wenigen Kilometern nicht weiter, da Erdrutsche und umgestürzte Bäume den Weg absolut versperrten. Auch auf dieser Tour gab es heftige Regenfälle. Also mußten wir umkehren und entschlossen uns, nach Santa Cruz zu fahren.

Santa Cruz, Plaza und Kirche

Diese Stadt hat einen durchaus tropischen Charakter und einen hohen Anteil weißen Blutes. Prof. Cardenas suchte mit uns einen deutschen Priester auf, der aus China geflüchtet war. Es gab interessante Diskussionen.

Auf dem Rückweg erlebten wir zwei Überraschungen. Die eine war die Formation des Nebelwaldes (Ceja), die andere das indianische Heiligtum Samaipata im Bergregenwald mit einer Fülle von Orchideen.

Indianisches Heiligtum Samaipata,
Schlangenrinne und Blutbecken.

In Samaipata: von links nach rechts:
Quintanilla, Rimpau, Cardenas, Mendoza
In Samaipata: von links nach rechts:
Quintanilla, Rimpau, Cardenas, Ross

Der Nebelwald bei Comorapa ist schon von dem deutschen Botaniker Herzog als höchst interessante Formation studiert worden. Die einheimischen Botaniker nennen die Formation "Ceja de la montana", d. h. Augenbraue der Berge. Sie verdankt ihren eigenartigen Charakter dem ständigen Nebel, der diese Höhenlage von 1900 m fast jeden Tag einhüllt. Mit der hohen Luftfeuchtigkeit hält der Niederschlag nicht Schritt. Die Temperaturen sind zudem ungewöhnlich niedrig, und im Winter gibt es Fröste. Hier finden sich die eigenartigen immergrünen Kugelschirmbäume der Gattungen Weinmannia, Podocarpus, Persea, Micania etc. Die Belaubung dieser Bäume ist beschränkt auf die Enden der am höchsten reichenden Zweige. Die abgestorbenen Teile sind besetzt mit einer Fülle von Epiphyten (Bromeliaceen, Moosen etc. ). Farnbäume kommen vor. Die Sträucher (vorwiegend Melastomataceen, Ericaceen, Fuchsien etc.) sind vollkommen mit Flechten, Moosen, Selaginellen etc. besetzt. Typische Solanum-Arten waren hier S. torrecillasense und S. cavallostovarii. Auch eine Reihe Lupinen konnten wir hier und in den angrenzenden Formationen sammeln.

Samaipata: Blick auf das gesamte Heiligtum.

Bei Samaipata liegt auf einem Sandsteinrücken eine Kultstätte aus der Inkazeit. In den leicht zu bearbeitenden Sandstein sind geometriche Tierfiguren eingemeisselt. Die Anlage ist großartig, noch kaum untersucht und machte uns einen tiefen Eindruck. Der Weg hinauf führte durch einen Schluchtwald von hoher Luftfeuchtigkeit, in der Orchideen in großer Fülle vertreten waren. Es bereitete uns eine große Freude hier ca. 18 verschiedene species der Orchidaceen zu sammeln, die später von La Paz als lebende Pflanzen heimgeschickt wurden. Sie kamen unversehrt an.

Zurück in Cochabamba trafen wir Herrn Diers, dessen Tour wie unsere bisher sehr erfolgreich verlaufen war. Auch er fand jetzt in Prof. Cardenas einen hilfsbereiten Kollegen.

Zum Abschluß entledigten wir uns in Cochabamba eines Teiles unseres Expeditionsgepäcks. Soweit es für uns nicht mehr von Nutzen war, sonden nur den Wagen schwerer machte, wurde es an die dortigen Kollegen verkauft. Dann nahmen wir Abschied von Professor Cardenas, Ing. Quintanilla, der Familie Krüger und Herrn Diers, den wir dann in Lima wiedersahen.