Pittoreske Ansichten der Cordilleren und Monumente americanischer Völker

Alexander von Humboldt

Tübingen, 1810

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Tafel 8


Hohe Auflösung

Abgesonderte Masse von der Pyramide von Cholula.

Das Monument von Cholula ist dergestalt mit Vegetation bedeckt, dass es sehr schwer wird, die Bauart der grossen Absätze zu untersuchen. Die spanischen Geschichtsschreiber des 16ten Jahrhunderts, deren mehrere Mexico zur Zeit des Montezuma, oder wenige Jahre nach seinem Tod, besucht haben, berichten zwar, dass das ganze Gebäude von Ziegeln erbaut seye. Als ich in der vatikanischen Bibliothek zu Rom die Handschrift des Paters, Pedro de los Rios (Cod. Vat. anonym. N. 3738. fol. 10.), durchgieng, fand ich gleichfalls, wie ich weiter oben gemeldet habe, dass die Einwohner von Cholula, einer alten Sage zu Folge, glaubten, die Ziegel, welche man zu den Teocalli gebraucht habe, seyen in der Provinz Tlalmanalco, am Fuss des Berges Cocotl, gemacht, und durch Gefangene, welche eine Verbindungslinie von Cocotl bis Cholula gebildet, von Hand zu Hand geboten worden. Diese Tradition, welche an das fabelhafteste in den arabischen Mährchen erinnert, wird auch bei den Peruanern angetroffen. Die Cuzcoer, die sich für Bewohner eines heiligen Orts halten, versichern nemlich, der Inca Tupac Yupanqui habe, nachdem er sich des Königreichs Quito (Puitu)) bemächtiget, ungeheure Quadern aus den Steinbrüchen in der Nachbarschaft von Cuzco dahin bringen lassen, um Sonnentempel in dem neueroberten Land zu erbauen.

Ich konnte die innere Bauart der Pyramide von Cholula an zwey verschiedenen Orten untersuchen; nemlich nahe beym Gipfel, an der dem Vulkan Popocatepetl zugekehrten Seite, und an der Nordseite, wo der erste Absatz durch die neue Strasse von Puebla nach Mexico durchschnitten, und dessen äussersten Ende von der übrigen Masse abgesondert ist. Die achte Tafel stellt dieses abgesonderte Stück dar, und man erkennt in demselben abwechselnde Lagen von Thon und Ziegeln. Letztere haben gewöhnlich 8 Centimeters Höhe, und 40 Centimeters Länge. Auch schienen sie mir nicht gebrannt, sondern blos an der Sonne getrocknet. Indess könnten sie doch leicht gebrannt und durch die Feuchtigkeit der Luft wieder locker geworden seyn. Vielleicht fehlen die Thonlagen, welche zwischen den Ziegeln sind, in dem Innern der Pyramide, an den Theilen, welche das ungeheure Gewicht der ganzen Masse tragen. Herr Zoëga (de Obeliscis pag. 380.) hat, aber mit Unrecht, angenommen, dass der Teocalli von Cholula ein wahres Choma, ein nur von aussen mit Ziegeln überzogener, Erdhaufen seye, und auch schon Gemelli, welchen Robertson und andere Geschichtschreiber der ersten Classe weit grösserer Unrichtigkeit beschuldigen, als er verdient, bezeichnet diesess Gebäude mit dem Namen einer Pyramide von Erde (Giro del Mondo. T, VI. pag. 135.).

Die Bauart des Teocalli´s erinnert, wie wir oben bemerkt haben, an die ältesten Monumente, zu welchen die Geschichte der Civilisation unserer Gattung hinauf reicht. Der Tempel des Jupiter Belus, welchen die Mythologie der Indus mit dem Namen des Bali zu bezeichnen scheint (Fra Paolino de S. Bartolomeo, Viaggio alle Indie orientali. pag. 241.), die Pyramiden von Menschich Dagschur, und mehrere aus der Gruppe von Sakhara in Egypten, waren auch nichts anders, als unermessliche Ziegelhaufen, wovon sich die Ueberbleibsel dreissig Jahrhunderte hindurch bis auf unsere Zeit erhalten haben.


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