Malayische Reisebriefe von Ernst Haeckel (1901)

Siebentes Capitel.

Zu den Hindu-Tempeln von Djokja.

Die Station Maos ist ein kleines Dorf in sumpfiger Ebene und bietet Nichts, was zu einem Aufenthalte veranlassen könnte; sie liegt in der Mitte der langen Eisenbahnstrecke, welche die beiden Hauptstädte von Java, Batavia und Surabaya, verbindet. Da keine Nachtzüge auf diesem "Staatsspoorweg" gehen, müssen die Durchreisenden in Maos übernachten. Zu diesem Zwecke hat die Regierung hier ein großes Gouvernementshôtel erbaut, welches eine beträchtliche Zahl von Passagieren aufnehmen kann. Doch ist die Frequenz sehr wechselnd; ich übernachtete dreimal in Maos; in der ersten Nacht fanden sich ungefähr zwanzig Gäste an der Abendtafel ein, in der zweiten sechzig (meist Officiere mit Familie), in der dritten nur sechs. Tagsüber ligt das Hôtel todtenstill und verlassen da, selbst die zahlreiche Dienerschaft schläft dann. Sobald aber die Abendzüge (zwischen 6 und 8 Uhr) eintreffen, kommt Leben in das weitläufige Haus. Um 9 Uhr findet das gemeinsame Abendessen in einem großen, luftigen Speisesaal statt; dann begiebt sich Alles eilig in seine Kammer, denn die Morgenzüge gehen schon zwischen 5 und 6 Uhr früh ab, und bereits um 4 und 4 1/2 Uhr erscheinen die verschlafenen Gäste in den wunderlichsten Costümen, um das Frühstück einzunehmen. Der fixe Preis beträgt für Abendessen, Nachtquartier und Frühstück 5 Gulden (= 9 Mark). Die Zimmer und Betten sind einfach, aber sauber, das Essen genügend.

Am 13. Januar setzte ich Morgens um 6 Uhr meine Fahrt nach Osten weiter fort und langte um 10 Uhr in Djokjakarta an,

Mittel-Java
dem Zielpunkt der Reisenden, welche die weltberühmten Hindutempel von Boro-Budur und von Brambanan kennen lernen wollen. Die vierstündige Eisenbahnfahrt durch das südliche Tiefland der Provinz  B a g e l e n  führt parallel der sümpfereichen Südküste von Java meistens durch gut cultivirtes Land. Nördlich von Maos erhebt sich hoch über den blauen Bergrücken des Horizontes der gewaltige Vulcan  S l a m a t; eine langgestreckte Rauchwolke steigt von seinem Krater mehrfach gewunden in die Luft.

Djokjakarta - oder kurz "Djokja" genannt, - ist die ansehnliche Hauptstadt des gleichnamigen Sultanates, welches im Süden an den Indischen Ocean grenzt: ebenso wie das östlich anstoßende "Kaiserthum" Surakarta (oder "Solo"), ein sogenannter "unabhängiger" Staat. Indessen ist diese Selbstständigkeit nur nominell; thatsächlich werden beide Fürstenthümer - die Ueberreste des mächtigen alten Kaiserreiches Mataram - nur von den Holländern regiert, gleich allen anderen Provinzen von Java. Wie es mit der Macht der beiden, von ihnen unterhaltenen Fürsten in diesen "unabhängigen" Sultanaten aussieht, zeigt am besten der Umstand, daß jeder von ihnen noch einen eifersüchtigen Gegenfürsten sich gegenüber hat. Ueber beiden steht in Wirklichkeit der holländische "Resident", der "jüngere Bruder" des Sultans, welchem

Fig. 46.  E i n   c h i n e s i s c h e r   K u l i  als Straßen-Reiniger und Wasserträger. Die beiden großen Blechkannen werden an beiden Enden eines langen Bambusrohres über die Schulter getragen.
dieser stets zu gehorchen hat. Dagegen genießt er das Vorrecht, dessen Anordnungen als seine eigenen Befehle dem Volke mitzutheilen. Daß diese immer mit denjenigen des Residenten übereinstimmen, dafür sorgt eine Ehrengarde oder Leibwache von sechzig holländischen Soldaten. Der Offizier, der sie commandirt, gehört zur indischen Armee und hat ordentlich aufzupassen, daß nichts gegen den Willen der Regierung passirt. Außerdem wird der "Kraton", in welchem der Sultan residirt, von den Kanonen eines benachbarten holländischen Forts beherrscht. In Djokja ist es das Fort "Bredenburg", in Solo das Fort "Vastenburg", welches dergestalt die wirkliche Landesregierung durch die "Ultima ratio regum" verkündet.

Die Stadt Djokjakarta liegt 113 Meter hoch in einer sehr fruchtbaren, gut bebauten Ebene, welche im Norden von dem mächtigen Doppelvulcan Merapi und Merbabu überragt wird. Sie erfreut sich eines sehr guten und relativ kühlen Klimas. Unter den 60000 Einwohnern befinden sich 4000 Chinesen, die auch hier, wie überall in Insulinde, als Händler und Kaufleute eine wichtige Rolle spielen; aber auch als Handwerker und Kulis trifft man sie zahlreich an. Europäer gibt es kaum 2000; unter diesen sind die Beamten und Officiere häufigem Wechsel unterworfen, dagegen spielen die Hauptrolle die reichen Pflanzer; ihre weit ausgedehnten Plantagen sind zum größten Theil mit Zuckerrohr bestanden, demnächst mit Kaffee und Indigo. Von den eingeborenen Malayen wohnen 15000 in dem festungsähnlichen Kraton und gehören zur glänzenden Hofhaltung des Sultans; ein Wall von 4 Meter Höhe und 5 Meter Breite umgiebt den weitläufigen Gebäudecomplex, der ein Viereck von ungefähr 1 Kilometer Seitenlänge bildet; in der Mitte liegt der Palast des Sultans. Wenn man durch das Thor des nördlichen Walles eintritt, gelangt man auf einen großen Paradeplatz, Alun-Alun genannt; zu unserer Linken sehen wir die Tigerkäfige des Sultans, zu unserer Rechten dessen Ställe, den Gerichtshof und die Moschee. Die Abtheilung des Kratons, in welcher der Sultan residirt, ist durch ein doppeltes Gitter abgesperrt; einen beträchtlichen Raum derselben nehmen die Wohnungen seiner zahlreichen Frauen ein, sodann die Ställe für die Elephanten und die große Festhalle, in der sechshundert Gäste speisen können.

Nachdem ich mich in dem guten Hôtel Mataram, in der Nähe des Bahnhofs, etwas restaurirt hatte, schlenderte ich durch die breiten, freundlichen, von hohen Bäumen beschatteten Straßen von Djokja und ergötzte mich an dem bunten Treiben der malayischen Bevölkerung. Von zwei europäischen Herren, die mir begegneten, redete mich der eine deutsch an und fragte mich, ob ich nicht der Professor E. H: aus Jena sei? Er hatte mich einen kürzlich gesehenen Porträt erkannt und stellte sich mir für meinen Aufenthalt in Djokja zur Verfügung; es war der ungarische Militärarzt Dr.  U g l a k i, bekannt durch die großen Verdienste, die er sich 1894, gelegentlich der verrätherischen Niedermetzelung der holländischen Armee in Lombok, erworben hat. Auch sein Begleiter, der Gerichtspräsident  R o s k o t t, zeigte sich sehr gefällig, machte mir einen trefflichen Plan und gab mir Empfehlungen für meine Excursion nach Tjilatjap. Beide Herren fuhren dann mit mir zu Dr.  G r o n e m a n, dem früheren Militärarzte, der durch seine ausgezeichneten Untersuchungen über die alten Hindutempel in Boro-Budur und Brambanan sich einen Namen gemacht hat. Das freundliche Anerbieten dieses gründlichsten Kenners der Tempel, mich selbst in den nächsten Tagen dorthin zu begleiten, nahm ich mit Dank an.

Das bunte Straßenleben in Djokja wurde am Abend dieses Tages noch besonders interessant durch ein großes Fest, bei welchem der Sultan mehrere hundert Gäste öffentlich bewirtete. Auch den feierlichen Aufzug eines vornehmen Hochzeits-Paares konte ich mit ansehen. Die kleinen, noch sehr jungen Eheleute gleichen Kindern, welche für eine Kinder-Comödie festlich aufgeputzt sind. Sowohl der helmartige Kopfputz als

Fig. 47.  E i n   m a l a y i s c h e s   B r a u t p a a r.
das Mieder, der Sarong und der Gürtel waren reich geschmückt mit Edelsteinen, Gold- und Silber-Putz.

Der folgende Tag, 14. Januar, war dem Besuche von Boro-Budur gewidmet, der größten und merkwürdigsten unter den zahlreichen Tempelruinen, welche aus der Zeit der Hindu-Invasion, aus dem achten und neunten Jahrhundert n. Chr. übrig geblieben sind; sie liegen vier Meilen nordwestlich von Djokja entfernt, in der Nähe der Stadt Magelang. Morgens um 6 Uhr fuhren wir, Dr. Groneman und ich, in leichtem, vierspännigen Wagen ab und hatten um 10 Uhr unser Ziel erreicht. Der Weg führt anfänglich durch das reich bebaute Gebiet des Sultanats Djokja, überschreitet auf hohen Brücken mehrere malerische Flußthäler und tritt dann in das Gebiet der Provinz  K e d u  über, deren Hauptstadt das liebliche  M a g e l a n g  ist. Diese blühende, reich bevölkerte und gut bebaute Gegend, vielfach als "der Garten von Java" bezeichnet, wird im Huntergrunde von hohen Gebirgen eingerahmt, westlich von einer langen Kette vielzackiger Kalkberge, die sich vom Vulkan Sumbing an, längs des Pragaflusses, nach Süden ziehen, östlich von zwei gewaltigen, neben einander aufsteigenden Vulcanen. Der südliche von beiden Feuerbergen, dem eine lang hinziehende Rauchsäule entsteigt, ist der  M e r a p i; seine letzte große Eruption fand 1894 statt. Nördlich schließt sich an ihn der  M e r b a b u  an.

Der berühmte Tempel von Boro-Budur liegt auf dem Gipfel eines Hügels, der sich etwa 50 Meter über die blühende Festung erhebt; er sieht von ferne wie eine trotzige alte Festung mit hohen crenelirten Mauern und zahlreichen Thürmchen aus, gekrönt von einer glockenförmigen Citadelle. Näher kommend erkennen wir, daß das ungeheure Bauwerk die Gestalt einer flachen, vierseitigen Pyramide hat. Die Seitenlänge ihrer quadratischen Grundfläche mißt 150 Meter, ihre Höhe 30-35 Meter. Verglichen mit den hohen ägyptischen Pyramiden, erscheint sie flach und niedrig; während aber die vier Seitenwände der letzteren eben oder mit einfachen Stufen bedeckt sind, erscheinen sie hier in sieben Terrassen gegliedert und mit einer erstaunlichen Fülle von Steinbildwerken geschmückt. Den soliden Kern des Bauwerks bildet ein pyramidaler Erdhügel, der sich 40 Meter über die unten liegenden großeren Hügel erhebt. Die beiden unteren Terrassen sind einfacher gegliedert; die fünf oberen, in zwanzig Ecken getheilt, bilden Galerien, indem die innere Wand jeder Terrasse nach oben frei vorspringt und die beiden Steinmauern eingeschlossen, wandert man in fünf verschiedenen Höhen um den ganzen Bau herum und bewundert die Tausende von kunstreich gearbeiteten Steinfiguren, welche die Wände bedecken. Diese Sculpturen stellen die ganze Buddha-Mythologie in Hunderten von Gruppenbildern dar - das Leben und die Geschichte des indischen Gottes und seine Beziehungen zu den Fürsten, welche den Buddhismus schützten und förderten; ferner Affen, Büffel, Schlangen und andere Thiere, welche im Buddha-Mythus eine Rolle spielen u. s. w. Ueberall sind Nischen angebracht, in denen die Statue des Gottes sich wiederholt. Die drei oberen Terrassen sind, und zwar in abnehmender Zahl, mit 32, 24 und 16 glockenförmigen Kuppeln (Dagobs) geziert, von denen jede im innern eine Kolossalstatue des Gottes enthält und darüber einen kegelförmigen Aufsatz trägt. Den Abschlup des Ganzen bildet die große Kuppel, die sich in der Mitte der obersten Terrasse erhebt und eine 4 Meter hohe Riesenstatue von Buddha umschließt. An den vier Seiten der Pyramide findet sich unten ein Bogenthor, durch welches man auf einer Treppe zu den Galerien aufsteigt.

Von den kolossalen Dimensionen dieses Riesentempels und der erstaunlichen Menge seiner Bilderwerke giebt es eine Vorstellung, wenn wir hinzufügen, daß allein in der untersten Galerie sich 408 Basreliefs finden, fast in jedem eine Gruppe von sieben Personen, eine sitzende Mittelfigur und auf jeder Seite derselben drei Figuren mit Lotosblumen und Moskitofächer. Die Innenseiten der folgenden Galerien enthalten 470 Basreliefs mit mehreren Tausend Figuren. Alles in Allem sind 1504 Basrelieftafeln gefunden, von denen 988 mehr oder weniger gut erhalten. Die Zahl der noch vorhandenen Buddhabilder beläuft sich auf 441. Sie stellen den Gott meistens sitzend mit untergeschlagenen Beinen dar, aber mit fünffach verschiedener Haltung der Hände. An der Südseite erscheit Buddha als Lehrer, an der Westseite als Denker, an der Nordseite als Verheißer, on der Ostseite als Opferempfänger; in den drei oberen Galerien theils als Prediger, theils als Erkenner. Die ruhige Haltung, die göttliche Hoheit, der sanfte, wohlwollende Gesichtsausdruck predigen die Ergebung in den ewigen Schlaf des Nirwana.

Die künsterische Ausführung dieser vielen Tausende von Steinfiguren verdient um so mehr Bewunderung, als das spröde Material, ein harter, vulcanischer Trachyt, der Bearbeitung große Schwierigkeiten entgegensetzt. Nicht minder bewunderungswürdig ist auch die Bautechnik; die Huntertausende von sorgfältig behauenen Bausteinen sind weder durch Mörtel noch durch eiserne Klammern verbunden; sie sind so kunstreich in einander gefügt, daß sie sich gegenseitig tragen und stützen. Der gewaltige Riesenbau könnte noch Jahrhunderte unverändert fortbestehen, wenn nicht die ungeheure Lasst sich allmählich selbst in den unterliegenden Hügel einsenkte und wiederholt Erdbeben an seiner Zerstörung arbeiteten. Leider wirkt auch die Zerstörungswut der Menschen, wie gewöhnlich, dabei mit; den meisten Buddhastatuen ist der Kopf abgeschlagen, vielen auch Arme und Hände; im nahen Wärterhause sah ich eine ganze Grabkammer voll abgehauener Buddhaköpfe.

Auf die lehrreiche und sehr interessante Mythologie des Buddha, welche in dieser großartigen Sammlung von Steinbildwerken dargestellt ist, und die meinem Verständniß durch die eingehende Erklärung des Sachkundigen Dr. Groneman näher gerückt wurde, kann ich hier nicht eingehen, ebenso wenig auf die vielen merkwürdigen Einzelheiten, welche die reiche Bildergalerie enthält, und auf ihre mannigfach verschiedene Deutung. Wer sich darüber näher unterrichten will, findet Belehrung in den Schriften des Dr. Groneman; desgleichen vortreffliche photographische Abbildungen in den großen Werken von Yzerman, Lehmann u. A.

Der allgemeine Eindruck, welchen das gigantische Bauwerk von Boro-Budur mir hinterließ, ist derselbe, den meine beiden Freunde und Schüler, Richard Semon und Willy Kükenthal, in ihren mehrfach erwähnten Reisebeschreibungen niederlegt haben. Wie Semon richtig bemerkt, ist es offenbar der charakteristische  T e r r a s s e n b a u   d e r   S a w a h s, der javanischen Reisfelder, welche schon vor Jahrtausenden die Insel bedeckten und den Künstler beim Entwurf des Tempelplanes zur Verherrlichung in Steingebilden anregten. Ich stimme aber auch Semon bei, wenn er (S. 467) hinzufügt, daß die künstlerische Gesammtwirkung des Ganzen dem ungeheuren Aufwand an Mitteln und Arbeit nicht entfernt entspricht. Die Terrassengliederung ist nicht genügend, um Leben in die schwerfällige Masse des gewaltigen Steinhaufens zu bringen, und die zahllosen, an sich schönen Einzelheiten, die Tausende von kleinen Kuppeln, Spitzen, Figuren verschwinden in der ungefügen Masse der flachen Pyramide.

Von den genialen Schöpfern dieser und vieler anderen Tempel in Java, von den zahllosen Künstlern, welche ihre sorgfältige Ausschmückung in Jahre lange Arbeit bewirkten, wissen wir so gut wie nichts. Nur das steht fest und ist auf den ersten Blick klar, daß wir in diesen buddhistischen Kunstwerken keine Arbeit der eingeborenen Malayen vor uns haben, sondern der arischen Bewohner von Vorderindien, welche schon vor dem achten Jahrhundert n. Chr. den malayischen Archipel überflutheten und nicht nur in Java, sondern auch in Borneo, Sumatra, Lombok und vielen anderen Inseln Colonien gründeten und Stätten für den Buddha-Cultus errichteten. Aber auch von dieser merkwürdigen  H i n d u - I n v a s i o n  wissen wir nur sehr wenig; keine indischen Geschichtsbücher und Chroniken klären uns darüber auf. Nur einzelne Inschriften belehren uns - außer den stummen Zeugen der indischen Künste -, daß zu jener Zeit die eingedrungenen Hinduvölker einen hohen Grad von Cultur unter der wilden Bevölkerung der malayischen Urbewohner eingeführt haben müssen. Es scheint aber, daß diese Blütheperiode nicht lange gedauert hat, und daß die Hindu bald wieder den Besitz der Smaragdinseln aufgaben - vielleicht aus Furcht for den häufigen, zum Theil verheerenden Erdbeben, oder auch überwunden durch den dauernden Widerstand der unterjochten Malayen. Wenn sie durch Vermischung mit den letzteren in dieser Rasse aufgegangen sind, und wenn ein großer Theil der heutigen Bevölkerung von Insulinde wirklich einen Theil Hindublut in seinen Adern führt, so war jedenfalls bei dieser Rassenmischung das niedere malayische Element stärker, als das höhere arische. Auf der Insel Lombok und in einigen Ortschaften von Java - besonders auch in den höheren Familien des alten Mataramreiches - soll noch heute der indogermanische Charakter in der Physiognomie deutlich ausgeprägt sein. Von dem hohen Kunstsinn der arischen Vorfahren ist aber in dem heutigen Mischvolk wenig übrig geblieben; die Malayen der Gegenwart staunen die kunstreichen Tempelruinen der Hindu als die Erzeugnisse unheimlicher Geister an und können nicht glauben, daß Menschenhände dergleichen hervorgebracht haben.

Nachdem Dr. Groneman seine freundliche Erklärung der langen Bilderreihen beschlossen und ich nochmals vom höchsten Gipfel des Boro-Budur den großartigen Blick auf die herrliche Landschaft ringsum genossen hatte, stiegen wir gegen 1 Uhr zu dem nahen Pasangrahan hinab, in welchem der Wächter des Tempels wohnt, ein alter ausgedienter österreichischer Soldat, Namens Oppenheimer; derselbe erinnerte mich durch sein Wesen und seinen langen Bart auffallend an den alten "Samiel", welcher älteren Besuchern unserer schönen Rudelsburg, im Saaltal bei Kösen, wohl erinnerlich ist. Er stillte unseren mächtigen Appetit mit einer vortrefflichen Reistafel. Dan bestiegen wir wieder unseren Vierspänner und benutzten ein paar Nachmittagstunden noch zum Besuche von zwei kleineren benachbarten Hindu-Tempeln. Die Ruinen des einen, des pyramidenförmigen Mendut-Tempels, haben neuerdings durch ein Erdbeben stark gelitten. Sein Inneres ist mit schönen Sculpturen an den Wänden geschmückt und enthält drei Kolossalstatuen von vortrefflicher Ausführung. Die größte, in der Mitte, ist Buddha selbst, auf einer Lotosblume sitzend; im Antlitz den milden Ernst und die stille Resignation, die sich in den meisten Buddhabildern wiedespiegelt. Die beiden kleineren Figuren, zu beiden Seiten des Gottes, scheinen die indischen Fürsten darzustellen, welche den Tempel gegründet und ausgestattet haben. - Der kleinere Tempel, nicht weit entfernt,

Fig. 48.  S t a t u e   d e s   B u d d h a  im Mendut-Tempel.
heißt "Küchen-Tempel" (Tjandu Babon); er ruht auf einem hohen Stufenaufsatz und bietet ein sehr malerisches Bild; die ungeheuren Wurzeln eines mächtigen Baumwollbaumes (Bombax), dessen hoher Säulenstamm sich unmittelbar neben dem Tempel erhebt, sind in die Fugen der Wände und Treppen eingedrungen und haben sie bereits so weit auseinander gesprengt, daß sie mit völligen Einsturz drohen. Um 4 Uhr traten wir von hier aus unseren Rückweg an und waren Abends gegen 8 Uhr wieder in Djokja.

Zum Besuche der Tempelruinen von  B r a m b a n a n  fuhr ich, abermals in Begleitung von Dr. Groneman, am folgenden Vormittag, den 15. Januar, Morgens um 7 Uhr auf der Eisenbahn gegen Osten ab; bereits nach einer Stunde waren wir auf der Station. Hier erwartete uns Herr Geßner, der deutsche Administrator einer großen Zuckerpflanzung; er war schon Tags zuvor von unserem Besuche benachrichtigt und führte uns in seinem Wagen zu den 1 Kilometer entfernten Tempelruinen. Ich begrüßte in Herrn Geßner einen freundlichen Landsmann wieder, dessen Bekanntschaft ich schon vor vier Jahren auf einem Dampfer des Norddeutschen Lloyd bei der Ueberfahrt von Genua nach Neapel gemacht hatte.

Die Hinduruinen von  B r a m b a n a n  bestehen nicht, wie die von Boro-Budur, aus einem einzigen, sehr großen, sondern aus zahlreichen kleinen Tempeln; sie waren nicht dem monotheistischen Buddha-Cultus, sondern der polytheistischzen Bramahreligion gewidmet. Auf einem sehr ausgedehnten Terrain, das rings von Reisfeldern und Zuckerpflanzungen umgeben ist, sind mehrere Gruppen brahmanischer Tempel zerstreut, deren größte und besterhaltene am linken Ufer des Opakflussen liegt und von drei kreisrunden concentrischen Wällen festungsähnlich umgeben ist. Zwischen dem äußeren und mittleren Wall sind die Reste von 157 kleinen Tempeln sichtbar, welche in drei Reihen stehen und früher Götterbilder enthielten. Auf dem Platze, den der innere Wall umschließt, erheben sich die Ruinen von acht größeren pyramidenförmigen Tempeln in drei parallelen Reihen, zwei mittlere zwischen je drei äußeren. Der interessanteste ist der mittlere westliche Tempel; seine Basis ist zwanzigeckig; sein Inneres umschließt vier Räume mit großen Götterbildern. Das berühmteste von diesen ist das schöne Erzbild der streitbaren Göttin  D u r g a, mit acht Armen und Händen, mit dem javanischen Namen "Loro Djonggrang" benannt; jede Hand hält ein anderes Emblem. In einer zweiten Kammer desselben Tempels steht das Standbild ihres Gatten  S i n r a h  (= Mahadewa), und in einer dritten der Sohn beider,  G a n e s a; er nimmt mit seinem Elephantenrüssel Speise aus einer Schale, die er in der Hand hält. In den anderen Tempeln stehen die Bildsäulen von anderen brahmanischen Göttern, insbesondere Wischnu und Brahma. In dem mittleren, östlichen Tempel fährt links Sacrya auf einem Wagen, rechts Tjandra mit zehn Pferden. Sowohl die inneren Wände dieser Tempel als die äußeren Flächen der Pyramiden sind mit schönen Ornamenten bedeckt.

Fig. 49. Tempelruinen von Brambanan.
Diese Reliefbilder, sämmtlich der brahmanischen Mythologie entnommen, übertreffen bei weitem diejenigen von Boro-Budur an Mannigfaltigkeit der Erfindung und Composition, an Kraft und Leben der Gestaltung, an Feinheit und Eleganz der Ausführung. Manche von ihnen erinnern an die berühmten Tempelbilder und Altarfriese des Parthenon und von Pergamon, die hinsichtlich der Kunstvollendung allerdings höher stehen. viele Figurengruppen sind ähnlich denjenigen in den Höhlentempeln der Insel Elephanta und den Carlie-Caves, die ich vor neunzehn Jahren auf meinen Excursionen von Bombay sah und in meinen "Indischen Reisebriefen" beschrieben habe.

Nördlich von dieser großen Hauptgruppe der Brambanantempel, gegen den Vulcan Merapi hin, liegt eine anderen großtentheils zerstörte Gruppe,  T j a n d i   L e m b a n g. Hier steht ein großer Haupttempel inmitten von sechzehn kleineren, deren Wände mit vielen lebensgroßen, männlichen und weiblichen Figuren in Basrelief bedeckt sind. Noch weiter nördliche gelangen wir nach  T j a n d i   S e w u, der berühmten Gruppe der "Tausend Tempel". Hier ist ein großer Haupttempel von vier Reihen kleinerer Tempel umgeben, deren Gesammtzahl sich auf 250 beläuft. Durch das Erdbeben von 1867 sind sie größtentheils zerstört; aber die reichen Reliefbilder aus der Hindu-Mythologie, welche ihre Wände und Corridore schmückten, sind noch vielfach gut erhalten und lassen uns auch hier die Phantasie und Gestaltungskraft ihrer arischen Urheber bewundern. Das Ausgang der vier Wege, welche kreuzweise durch das Labyrinth dieser Tempelstadt führen, wird von je zwei kolossalen Steinfiguren bewacht, grimmige Tempelwächter mit gewaltigem Maul und Glotzaugen. Aehnliche Figuren, sowie noch zahlreiche brahmanische Götterbilder - aber auch stellenweise Buddhafiguren - finden sich in anderen Ruinen von Tempelgruppen, die hier in weitem Umkreise zerstreut liegen. Ihre Gesammtzahl wird auf 500 geschätzt. Sie lassen auf die Größe und Culturentwicklung der ansehnlichen Hindustädte schließen, welche hier vor zwölfhundert Jahren blühten, und von denen sonst jede Erinnerung spurlos verschwunden ist.

Nachdem wir diese weitläufigen Ruinenfelder durchwandert haben, folgten wir der freundlichen Einladung des Herrn Geßner, ihn auf seiner nahe gelegenen Pflanzung zu besuchen. Wir fanden dort ein stattliches, äußerst geräumiges und behaglich eingerichtetes Bungalow und erfreuten uns in Gesellschaft der liebenswürdigen und schönen Hausfrau einer sehr angenehmen Erholungsstunde. Hier in diesem gemüthlichen deutschen Heim hatte ich den östlichsten und zugleich den südlichsten Punkt der Erde erreicht, bis zu dem ich auf meinen Reisen vorgedrungen war. Gern wäre ich noch einige Stunden weiter gen Osten bis zum Dorfe Ngale gefahren, um das nahe  T r i n i l  am Bengawaflusse, den berühmten Ort zu besuchen, an welchem Dr.  E u g e n   D u b o i s  1894 die fossilen Reste des "Missing link", des Affenmenschen von Java gefunden hatte (Pithecanthropus erectus). Allein leider gestattete mir meine knapp zugemessene Zeit nicht diesen frommen Act des  A h n e n c u l t u s! Ich mußte schon Mittags zurück zur Station Brambanan, und um 1 Uhr war ich bereits wieder in Hotel Mataram in Djokja.

Hier machte ich noch die Bekanntschaft eines deutschen Pflanzers aus Bandong, der Herrn Teuscher, eines Neffen des Dr.  R e i n h o l d   T e u s c h e r  in Jena, meines geschätzten Mitarbeiters an mehreren zoologischen Untersuchungen. Wie klein doch die "Welt"ist! Rasch packte ich nach dem Frühstück meine Sachen und saß schon um 2 Uhr wieder auf der Eisenbahn, um in vier Stunden nach Maos zurückzufahren. Hier blieb ich zwei Nächte, um einen Tag der Excursion nach  T j i l a t j a p  widmen zu können.

Diese frühere Garnisonstadt ist der Hafenort der Provinz  B a n j u m a s  und liegt (unter 109o ö. L.) fast in der Mitte der langen, wilden und wenig bevölkerten Südküste von Java; sie besitzt den einzigen guten Hafen an dieser Küste und einigen Handel. Eine Zweigbahn, welche nach Süden von Maos abgeht, verbindet Tjilatjap mit der Hauptbahn; die Fahrzeit dauert kaum eine Stunde. Die Zweigbahn durchschneidet die berüchtigten Waldsümpfe, welche sich hier von der Südküste bis nach Bandjar hinauf ausdehnen, bis an den Fuß des Preangergebirges. Diese ganze Region ist als die schlimmste Fiebergegend von Java verrufen, und es fährt selben Jemand nach Tjilandjap, der nicht durch Geschäfte dazu gezwungen ist. Die Garnison mußte schließlich verlegt werden, weil Tausende von Soldaten an bösartiger Malaria starben. Ich vermied es deshalb auch, in diesem Fieberneste zu übernachten, fuhr Morgens 6 Uhr mit dem ersten Zuge von Maos dahin und war Abends 6 Uhr mit dem letzten Zuge wieder zurück.

Was mich trotz dieser Gefahren nach Tjilatjap zog, war einerseits der hohe Ruf seiner schönen landschaftlichen Umgebung, andererseits der Wunsch, wenigstens an einem Punkte der Südküste von Java das Plankton in diesem Theile des indischen Oceans kennen zu lernen. Ich hatte zu diesem Zwecke meine pelagischen Netze und Gläser mitgenommen. Als ich Morgens um 7 Uhr in Tjilatjap ankam, erwartete mich bereits am Bahnhofe der höchste Beamte des Bezirks, der Assistent-Resident Hooso; er war durch den Präsidenten Roskott von meiner Ankunft benachrichtigt worden und bot mir mit der größten Liebenswürdigkeit seine Dienste für den ganzen Tag an. Zunächst fuhr er mich in seiner Equipage durch die Stadt und nach dem Hafen, dann in seine Wohnung, die sehr hübsch in einem großen Garten am Meeresufer liegt; gegenüber die langgestreckte Insel Nusa Kembangan (= Blumeninsel). Für den Besuch derselben erbat mein Gastfreund das große Boot des malayischen "Regenten". Ehe dieses eintraf, hatte ich noch Zeit, im Garten einen der großen prachtvollen Waringinbäume (Ficus benjaminea) zu malen, welche denselben zieren, mit zahlreichen Luftwurzeln und weit kriechenden Bretterwurzeln. Eine hübsche und eigenartige Decoration hatte die Frau Residentin, eine große Blumenfreundin, diesen riesigen Feigenbäumen verliehen; sie hatte an den unteren Aesten und Luftwurzeln zahlreiche Cocosschalen gleicht Ampeln aufgehängt und in jede derselben eine Orchidee oder eine andere schönblühende Pflanze eingesetzt (Fig 51).

Um 10 Uhr erschien das Boot des Regenten, mit vier uniformirten Ruderern und einem Mandur (Steuermann). Dazu gab mir noch der Resident einen seiner Diener mit. Die Leute ruderten zunächst eine Strecke an der Südküste hin, an welcher mehrere kleine Flüsse ausmünden. Die primitiven Fahrzeuge zum Uebersetzen derselben sind kleine, aus Baumstämmen roh zusammengezimmerte Flöße, zum Theil mit einem kleinen Schattendach. Sodann setzten wir in einer halben Stunde über die Meerenge hinüber, welche die Küste von Tjilatjap von der dicht bewaldeten, langen Insel Kembangan trennt. Die Meerenge erscheint hier wie ein breiter, schöner Strom; nach Osten öffnet sie sich in die weite "Schildkrötenbai".

Die große Insel Nusa Kembangan ist hügelig, fast unbewohnt und in ihrer ganzen Ausdehnung mit dichtem, undurchdringlichen Wald bedeckt. Derselbe wird von der Regierung unverändert erhalten und ist botanisch interessant durch eine große Anzahl seltener Bäume, wie mir Dr. Koorders, der Forstbotaniker von Beutenzorg, schon früher erzählt hatte. Es befinden sich darunter mehrere Arten, die im übrigen malayischen Archipel nicht zu finden sind. Das Dickicht der Lianen, welche die gewaltigen Bäume umschlingen, erschwert das Eindringen sehr. Ich machte hier die unangenehme Bekanntschaft der Mucuna pruriens, eines Leguminosenbaumes, dessen große Schoten glänzende schwarze Bohnen enthalten und dicht mit gelben, leicht abfallenden Brennhaaren bedeckt sind. An der Stelle der Nordküste, an der wir zuerst landeten, besichtigte ich die verfallenen, ganz von dichter Vegetation überwucherten Ruinen eines alten holländischen Forts. An einer zweiten Stelle besuchte ich eine einsame, sehr malerische Fischerhütte, deren Besitzer mehrere

Fig. 50. Malayisches Pfahlbaudorf an einer Flußmündung, vorn ein Floß zum Uebersetzen.
Affen und Pagageien zur Gesellschaft hielten. Sehr schön ist der Blick von hier über die Meerenge auf das gegenüber liegende Festland. Ueber der grünen, palmengeschmückten Südküste von Java erheben sich in der Ferne lange blaue Gebirgszüge, und hoch über diesen der mächtige Vulcan Slamat mit seinem Doppelgipfel und seiner hoch aufsteigenden Rauchwolke.

Die pelagische Fischerei mit dem feinen "Müllernetz" ergab in dem trüben, gelblich-grünen Wasser nichts besonders Interessantes; überwiegend kleine Crustaceen (Copepoden und Ostracoden), daneben viele Diatomeen, Chromaceen und andere Protisten des littoralen Plankten.

Gegen 3 Uhr Nachmittags ließ ich mich nach Tjilatjap zurückrudern und verlebte hier noch ein paar angenehme Stunden in der Familie des Assistent-Residenten, der mir beim Diner viel über die eigenthümlichen Verhältnisse dieses weltentlegenen Küstenplatzes und seiner Bewohner erzählte. Die verrufene Malaria soll ihren bösartigen Charakter sehr verloren haben, seitdem die sumpfige Gegend theilweise drainirt und bei Gelegenheit des Eisenbahn-Baues mache gefährliche Localeinrichtung beseitigt wurde. Immerhin gehört der Ort noch zu den verrufensten Fiebernestern von Java, obgleich der gefürchtete Anopheles nicht häufiger sein soll als anderswo. Bezüglich dieses schlimmen Moskitos begegnete ich hier und in anderen Fiebergegenden von Java vielfachem Zweifel, auch bei gebildeten und erfahrenen Aerzten. Nicht daß die Richtigkeit der schönen Entdeckungen von Grassi, Koch u. a. angezweifelt und die Uebertragung der mikroskopischen Malariaparasiten, welche die Blutzellen zerstören, angezweifelt wurde. Aber es wurde bestritten, daß sie die einzige Ursache der perniciösen Fieber seien, die an einzelnen Orten einen so auffallend verschiedenen und bösartigen Charakter tragen.

Die Rückfahrt nach Maos in der Abendstunde durch das dichte Djungle war genußreich, da die sinkende Sonne ihre glitzernden Strahlen überall durch die Fiederblätter der Cocospalmen warf und die breiten hellgrünen Riesenblätter der wilden Bananen, Elettarien und anderer Marantaceen mit phantastischen Lichtfiguren bemalte. Viele der letzteren waren mit großen purpurbraunen Blüthenkolben geschmückt, auf denen die stattlichen weißen Blüthen sich glänzend abhoben. Eine schöne Liane, die sich in weitem Bogen von Baum zu Baum schwang, war mit großen violetten Blüthentrauben behangen. Schwärme von kleinen grünen Papageien und Schaaren von braunen Affen belebten die Aeste des unzugänglichen Urwaldes.

Am folgenden Morgen, den 17. Januar, setzte ich mich schon um 5 Uhr Morgens in Maos auf die Eisenbahn, um die Rückreise nach Beutenzorg anzutreten; sie dauerte mit dem Schnellzuge volle zwölf Stunden. Jedoch unterbrach ich sie um 3 Uhr Nachmittags auf der Sukabumi, um hier einen Tag der freundlichen Einladung des Major a. D.  O u w e n s  zu folgen, welchen ich einen Monat zuvor bei Gelegenheit eines Vortrages in Batavia hatte kennen lernen. Dieser vielseitig gebildete Officier ist ein großer Freund und Kenner der Natur und ein specieller Sammler von Conchylien. In dem Garten seines Hauses traf ich eine ganze Menagerie von Affen und Halbaffen, Papageien und anderen Vögeln, sowie lebenden Vertretern anderer Thierclassen. Die werthvolle Sammlung von Schnecken und Muschelschalen, die er selbst während seines langjährigen Aufenthaltes in verschiedenen Theilen des malayischen Archipels angelegt hat, ist sehr vollständig und enthält viele seltene Arten. Auch unter den sonstigen Naturalien-Sammlungen des Major  O u w e n s  bemerkte ich viele werthvolle Stücke, von denen mir derselbe alle gewünschten Exemplare mit größter Liberalität für das Zoologische Museum in Jena schenkte. Am anderen Tage konnte ich - Dank seiner Güte! - drei Kisten mit Skeletten, Schädeln, Fischen, Conchylien, Korallen und anderen Seethieren packen und in die Heimath abschicken.

Der angenehme Aufenthalt im Hause des Majors  O u w e n s  wurde mir noch besonders interessant dadurch, daß seine Haushälterin eine gebildete Japanerin war; die liebenswürdige Dame sprach Holländisch und etwas Englisch und betheiligte sich mit unerschöpflicher Heiterheit an unseren Gesprächen. Dabei mußte ich die feinen und zierlichen Umgangsformen dieser "Schönen des Ostens" bewundern, von denen alle dafür empfänglichen Besucher Japans mit Entzücken sprechen.

Das Städtchen  S u k a b u m i  (geschrieben Soekaboemi) liegt in 650 Meter Höhe am südlichen Fuße des Doppelvulcans Gedeh und Pangerango. Es ist reich an schönen Villen und Gärten und erfreit sich eines sehr angenehmen und gesunden Klimas. Auch liefern zwei heiße Quellen, die aus der südlichen Wand des Vulcans entspringen, Material für warme Bäder. Der Ort ist daher neuerdings als "Bade- und Luftkurort" im Aufblühen begriffen; vielef pensionirte Beamtge und Officire nehmen hier dauernd ihren Aufenthalt. Auf einer schönen Excursion, die ich am folgenden Morgen mit Major Ouwens unternahm, lernte ich die hohe landschaftlcihe Schönheit der Umgebung von Sukabumi kennen, dessen Namen "Verlangen der Welt" bedeutet. Besonders reizend sind die tief eingeschnittenen und mit reicher Vegetation geschmückten Flußthäler, die sich vom Fuße des Gedeh und Pangerango herabziehen. Die beiden Kegel dieser mächtigen Vulcane schließen im Norden den Hintergrund, während dieser im Süden von einer langen vielzackigen Bergkette gebildet wird.

Am folgenden Nachmittag fuhr ich in zwei Stunden nach Beutenzorg zurück. Die Bahn geht erst nach Westen durch schöne Gebirgsgegend, wenden sich dann bei Tji Badak nach Norden und führt über den Sattel zwischen den beiden Vulcanen Pangerango und Salak hinweg. So schlooß ich denn im Westen den Zirkel, den ich bei der Reise nach dem Gedeh im Osten begonnen hatte. Eine reiche Ernte der schönsten Erinnerungen brachte ich von dieser dreiwöchigen Bergfahrt mit.

In  B e u t e n z o r g  blieb ich bei meinem verehrten Freunde  T r e u b  noch ein paar Tage, um mich bei den dortigen Bekannten und beim General-Gouverneur zu verabschieden. Dann fuhr ich am 21. nach Batavia, wo ich auch diesmal wieder mich der Gastfreundschaft des Majors  M ü l l e r  erfreute, und am Morgen des 23. Januar, in seiner Begleitung, nach  T a n d j o n g   P r i o k, dem Hafen von Batavia. Hier bestieg ich den niederländischen Dampfer "Princeß Amalia", welcher mich in zweitägiger Fahrt von Java nach der Westküste von  S u m a t r a  führte, nach der Hauptstadt  P a d a n g.

Fig. 51.  B r e t t e r w u r z e l n   e i n e s  W a r i n g i n b a u m e s  (Ficus benjaminea); am Stamm sind Cocosnuß-Schalen als Blumentöpfe aufgehängt. Aus Tjilatjap. Im Hintergrunde die Blumeninsel Nusa Kembangan.
Fig. 52.  D e r   V u l c a n   K r a k a t a u  in der Sunda-Straße.

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