Malayische Reisebriefe von Ernst Haeckel (1901)

Fünftes Capitel.

Durch das Preanger-Land.

Die Reise durch die Preanger-Regentschaft und ostwärts bis Djokjakarta, dann zurück nach Beutenzorg umfaßte nur zwölf Tage (vom 8. bis 19. Januar). Auch sie gehören zu jenen kostbaren Tagebuchblättern in der mühseligen "Reise durch´s Leben", die der müde Wanderer nie vergißt; zu jenen Festtagen, die ihn für so viele harte Erfahrungen und bittere Enttäuschungen reichlich entschädigen. In der That vereinte sich Alles, um mir diese kurze Zeitspanne zu einem besonders reizvollen Stück meiner achtmonatigen Malayenfahrt zu gestalten: schönes Wetter, Naturgenuß ersten Ranges, glückliche Begegnung mit freundlichen Menschen, ungestörte und erfolgreiche Ausführung des zweckmäßigen Reiseprogramms.

Seite dem Jahre 1895 ist die große, centrale Eisenbahnlinie vollendet, welche jetzt ganz Java durchzieht, von Serang im Westen bis Probolingo im Osten. Die meist benutzte Strecke ist die mittlere, von Batavia bis Surabaya, der zweiten Hauptstadt der Insel. Diese lange Strecke wird in zwei Tagen zurückgelegt, da Nachtzüge nicht existiren und man in Maos, halbwegs zwischen den beiden, übernachten muß. Bei der Kürze der Zeit, die mir noch zu Gebote stand, mußte ich auf den Besuch von Ostjava verzichten und mich auf den schönsten Theil von Mittaljava beschränken. Hier zogen mich vor allem Anderen zwei berühmte und vielbesuchte Punkte an:  G a r u t  mit seiner großartigen vulcanischen Gebirgsnatur und  D j o k j a k a r t a  mit den berühmten Hindutempeln.

Nachdem ich mich von meinen beiden Reisegefährten getrennt hatte, stattete ich dem nahen Tjipannas einen kurzen Besuch ab, dem Lustschlosse des Generalgouverneurs, das in einem hübschen Park am Fuße des mächtigen Gedeh gelegen ist. Der Name Tjipannas bedeutet "Warmbrunn"; derselbe kehrt in Java, wo so viele heiße Quellen von den zahlreichen Vulcanen gespeist werden, häufig wieder. Unter den vielen schönen Blumen, mit denen der Lustgarten am Schlosse geschmückt war, fiel mir namentlich eine prächtige  R i e s e n - O r c h i d e e  auf, eine der größten Arten dieser formenreichen Familie (Grammatophyllum speciosum). Unten auf dem Stamme eines mächtigen Baumes saß ein gewaltiger Busch dieser Art, dessen Durchmesser mehrere Meter betrug. Hunderte von Aesten, die in zierlichen Bogen aufwärts strebten, strahlten nach allen Seiten von der gemeinsamen Stammbasis aus. Von jedem Aste hin eine Doppelreihe von schmalen bandförmigen Blättern herab, zwischen denen sich die zierlich gefiederten Wedel von

Fig. 32.  B ü f f e l   a m   P f l u g e  auf einem überschwemmten Reisfelde.
epiphytischen Farnkräutern vordrängten. Oben aber wurde der mächtige Busch von einem Kranze zahlreicher aufstrebender Blüthenstände gekrönt. Da jede dieser 50-60 Blüthenrispen über 2 Meter lang ist und 70-100 große Blüthen trägt, beläuft sich die Zahl der gelbrothen, braungefleckten Blüthen an einem einzigen solchen Exemplare auf mehr als fünftausend! Man würde kaum begreifen, wo diese imposante Riesen-Orchidee, auf dem Stamme eines Baumes befestigt, ihre Nahrung hernimmt, wenn nicht unterhalb des colossalen Blätterbusches ein ringförmiger Wulst von Luftwurzeln säße, von mehr als 2 Meter Durchmesser. Dieser hellgelbe Wurzelkranz ist zusammengesetzt aus Tausenden von kammförmigen Luftwurzlen, welche zweizeilig verzweigt und nach allen Richtungen durch
Fig. 35: Preanger Mädchen.
einander geflochten sind. Auf den steifen, stachelartigen Wurzelspitzen werden die abgefallenen Blätter des tragenden Baumes aufgespießt, und in den unzähligen Lücken des labyrinthischen Wurzelgeflechtes sammeln sich auch andere Pflanzenreste an, die sich allmählich in nahrhafte Humusmassen verwandeln; diese werden von den Nährwurzeln der Orchidee durchwachsen, während unterhalb derselben starke Haftwurzeln
Fig. 35: Eine blühende Riesen-Orchidee (Grammatophyllum speciosum) von 5 Meter Durchmesser, mit mehreren tausend großen, gelbrothen Blüthen.
hervortreten und die schwere Last des Ephiphyten am Stamme des Tragbaumes befestigen. Ein noch größeres Exemplar dieses Orchideen-Giganten stand während meines Aufenthaltes in Beutenzorg daselbst in Blüthe, nahe dem Marktplatze und gegenüber dem Wohnhause des Hortulanus Wigmann.

Nun setzte ich in den leichten, mit drei munteren malayischen Pferdchen bespannten Wagen, der mich durch freundliche, gut cultivirte Landschaften in drei  S t u n d e n  nach der Eisenbahnstation  T j a n d j u r  brachte. In dem ansehnlichen Orte Patjet, den ich passirte, war gerade lebhaftes Markt-Getümmel; es bot mir Gelegenheit eine große Anzahl von hübschen Figuren und bunten Trachten aus diesem nördlichsten Theil des Preanger Landes zu sehen.

Die  P r e a n g e r   R e g e n t s c h a f t  gilt als eine der schönsten und

West-Java
reichsten Landschaften, nicht nur in Java, sondern im ganzen malayischen Archipel. Sie enthält in ihrer nördlichen Hälfte, einem malerischen Gebirgslande, zahlreiche große Vulcane, in der südlichen Hälfte, die gegen den indischen Ocean abfällt, viele größere und kleinere, in diesen mündende Flüsse. Die Eisenbahn, welche von Batavia südwärts zwischen den Vulcanen Salak und Gedeh durchgeht, bildet vor Sukabumi einen rechten Winkel und schlägt nun die Richtung nach Osten ein; sie durchschneidet den schönsten Theil des Preanger Hochlandes. In kühnen Bogenlinien steigt sie an den bewaldeten Bergwänden empor, überschreitet auf schwindelnd hohen Brücken und Viaducten herrliche Thäler und gewährt wechselnde Blicke in das höchst fruchtbare und vortrefflich bebaute Tiefland. Rasch eilt der Zug zwischen diesen anmuthigen Landschaftsbildern hindurch, und man bedauert nur, sie nicht in größerer Muße genießen zu können.

Hier dürfte es gestattet sein, Einiges über die  j a v a n i s c h e   L a n d s c h a f t  im Allgemeinen zu sagen, und über die charakteristischen Bestandtheile, welche deren Reiz bedingen. Soweit ich dieselbe kennen gelernt habe, finde ich, daß ihre besondere Schönheit in der wechselvollen Vereinigung von drei wirksamen Theilen besteht: im Hintergrunde ein großartiges, meist blau oder violett erscheindendes Gebirge, dessen vulkanischer Charakter sich in der vorherrschenden Kegelform seiner Erhebungen kund gibt, oft auch in der Rauchwolke, welche aus dem Gipfel der Kegel aufsteigt; im Mittelgrund ein gut gepflegtes Culturland, in welchem die Terrassen der lichtgrünen Reisfelder überwiegen; im Vordergrunde die unendlich mannigfaltigen Schaustücke der tropischen Flora, welche die Hütten und Dörfer der Eingeborenen umgeben. So in dem wasserreichen West- und Mitteljava. In dem trockenen Ostjava, das ich nicht besucht habe, soll die Landschaft einförmiger sein und der Weg theils durch monotone Wälder von Teakholz, theils durch ebenso landweilige Pflanzungen von Zuckerrohr führen.

Im Gegensatze zu Borneo und Sumatra, und zu den meisten kleineren Inseln des malayischen Archipels, ist die Insel Java sehr dicht bevölkert und seit Jahrtausenden vortrefflich angebaut. Wilde Waldgegenden, in denen noch heute Königstiger und Rhinoceros hausen, beschränken sich auf die unzugänglichen Theile des Gebirges und auf einzelne, besonders ungesunde Gegenden, zu denen ein großer Theil des sumpfigen Küstenlandes und die wüste, schwach bevölkerte Provinz Bantam im äußersten Westen gehört. Während im Beginn des 19. Jahrhunderts die Bevölkerung der Insel sich nur auf 3 Millionen belief, zählt sie gegenwärtig mehr als das Achtfache, 25 Millionen. Doch ist von den unzähligen Dörfern, Kampongs und Dessas, in denen dieselbe wohnt, wenig zu sehen; meistens liegen diese im dichten Schatten von hohen Fruchtbäumen versteckt. Die zahlreichen Gruppen solcher Bäume, die wie dunkelgrüne Inseln aus den hellgrünen Reisfeldern auftauchen, bezeichnen ebenso viele Dörfer; sie geben dem ganzen Bilde den idyllischen Charakter einer freundlichen Parklandschaft. Daneben jedoch sind überall einzelne Hütten zerstreut, die mit ihren Gärten und der bunten Staffage von Eingeborenen dem Vorüberfahrenden stets interessante Bilder bieten.

Die  H ü t t e n   d e r   J a v a n e n  sind größtentheils oder fast ganz aus  B a m b u s  gebaut, jenem schönen und unendlich nützlichen Baumgrase, von dem alle Theile zu mehr als hundert Zwecken ihre praktische Verwendung finden. Als echte einstöckige "Pfahlbauten" ruhen sie auf Bambusstämmen, die entweder direct in den Erdboden eingerammt sind oder von einem untergelegten Stein getragen werden. An diesen senkrecht stehenden Bambusstämmen werden in 1/2 - 1 Meter Höhe über den Boden andere, horizontale Stämme befestigt, welche parallel neben einander liegen und den Boden der Hütte bilden. Ueber diesen erheben sich in gleicher Anordnung die senkrechten Rohrwände des einfachen Wohnraumes, an dem eine einzige große Oeffnung Thür und Fenster zugleich repräsentirt; in größeren Hütten ist der Wohnraum in zwei oder drei Kammern durch Scheidewände getheilt. Matten, aus Baumbus- oder Palmblättern geflochten, sind über Boden und Wände gelegt; sie decken auch das Dach, falls dieses nicht aus Atap, der besonders dazu geeigneten zerfaserten Blattscheide der Zuckerpalme (Arenga) gebildet wird. Unter dem stark vorspringenden, weiten Regendach liegt geschützt eine offene Vorgalerie.

Die  G ä r t e n  oder Haine, in deren schattigem Schutze die javanischen Hütten versteckt liegen, weisen fast immer dieselben wesentlichen Charakterpflanzen auf: die leichten, anmuthigen Federkronen des Bambus, die lichtgrünen Stauden der Pisang oder der Banane (Musa) mit ihren breiten, schön zurückgebogenen Riesenblättern, und die edle Cocospalme, die auf ihrem schlanken Stamme hoch darüber ihre stolze Federkrone erhebt. Außerdem sieht man dazwischen noch sehr häufig die Zuckerpalme (Arenga, die Betelpalme (Areca), die Manihot (Jatropha) und verschiedene Fruchtbäume, als da sind: Durian, Mango, Mangostin, Rambuttan u. s. w.; desgleichen bunte Blumen, Croton und andere Ziersträucher. Besonderen Werth legen viele Gartenfreunde neuerdings auf die bunten Farben und mannichfaltigen Zeichnungen der Croton-Blätter; die sonderbarsten Figuren und Farben-Combinationen, von lebhaftem Gelb, Orange und Roth bis zu violetten und braunen Zeichnungen auf grünem Grunde, sind hier durch sorgfältige Zuchtwahl erzielt worden. - ein auffälligges Zeugniß für die Macht der  k ü n s t l i c h e n   S e l e c t i o n.

In großer Menge wird hier auch auf ausgedehnten Beeten die herrliche Ananas cultivirt; die stattlichen, schön goldgelben oder orangefarbenen Fruchtzapfen dieser Bromeliacee sitzen inmitten eines großen Schopfes von blaugrünen schwertförmigen Blättern, die rinnenförmig vertieft und zurückgekrümmt sind, ähnlich wie bei Agave und Aloe. Ihre Vermehrung ist sehr einfach; die kleine Rosette von kirschrothen Blättern, welche oben auf dem Scheitel der tannzapfen-ähnlichen Fruchtähre sitzt, wird abgerissen und in die Erde gesetzt; sofort wird daraus wieder eine neue Pflanze. Diese köstliche Frucht - nach meinem Geschmack eeines der wundervollsten Erzeugnisse der reichen Tropenflora - wird in Java so massenhaft cultivirt, daß sie überall an den Bahnstationen als

Fig. 34.  D i e   A n a n a s - P f l a n z e  mit Frucht (Ananassa sativa).
billigste Erfrischung ausgeboten wird. Ein schönes Exemplar, das bei uns, im Gewächshaus gezogen, 3-4 Mark kosten würde, erhält man hier für ebensoviel Pfennige. Ich habe mir nur wenige Tage in Insulinde entgehen lassen, an denen ich mich nicht an Geschmack, Geruch und Aussehen dieser aromatischen Frucht erfreut habe.

Die wechselvolle Combination dieser verschiedenen Gartenpflanzen mit der farbenreichen Staffage der Eingebornenen-Familien, der Büffel, Hunde, Ziegen, Hühner und sonstigen Hausthiere, ferner die Gruppirung mehrerer Hütten zu kleineren Gemeinden, liefert dem Auge des Malers beständig reizende Vorwürfe für sein Skizzenbuch.

Den auffallendsten Charakterzug der javanischen Landschaft bilden die Reisfelder oder Sawahs, die in gewaltiger Ausdehnung den weitaus größten Theil des Culturlandes bedecken und den Eingeborenen ihr wichtigstes Nahrungsmittel liefern. Seit Jahrtausenden sind die Javanen gewohnt, den Reisbau mittelst eines eigentümlichen, höchst zweckmäßigen Terassensystems zu betreiben. Da das Reisgras (Oryza) eine tropische Sumpfpflanze ist, findet es in den besonderen klimatischen Verhältnissen von Java die denkbar günstigsten Bedingungen für ertragreiche Entwicklung. Täglich sammeln die unzähligen Gipfel der gewaltigen Vulkankette die Wasserdünsste, welche der Indische Ocean unter dem Einflusse der glühenden Tropensonne verdampft; täglich entladen die ausgedehnten so entstehenden Wolkenlager das befruchtende Naß in starken Gewitterregen. Auf dem hügeligen, mehr oder weniger geneigten Terrain nimmt das abfließende Regenwasser stets große Quantitäten von Humus aus den Bergwäldern und von mineralischen Nährsalzen aus dem vulkanischen Boden mit sich fort. Dieser Wasserschatz wird nun von den Javanen über die weiten Flächen der Reisfelder dadurch möglichst gleichmäßig vertheilt, daß dieselben in viele horizontale, über einander gelegene Terrassen getheilt sind. In den Dämmen, welche diese trennen, sind kleine Oeffnungen oder Schleußen angebracht, durch welche das Wasser jeder Terasse in die darunter gelegene abfließt. Zahlreiche, meist parallele Querdämme, senkrecht auf den Längsdämmen stehend, theilen die weiten, wasserbedeckten Flächen in kleinere Felder. Das Gitterwerk, das so entsteht, gibt der Reislandschaft ihren eigenthümlichen Charakter. Die braunen Dämme - die Stäbe des Gitters - heben sich scharf ab von den spiegelnden Wasserflächen oder von dem lichtgrünen Grasteppich, der daraus hervor wächst. Die Farbe dieses Sammetteppichs, in weiter Ferne mehr smaragdgrün, in der Nähe freudig gelbgrün, steht in reizendem Contrasst zu dem mannigfaltig gestalteten dunkelgrünen Pflanzenschmuck des Vordergrundes, zu dem vielett blauen Gebirgshintergrunde und zu den dunkelgrauen Monsunwolken, welche in mächtigen Haufen über den lichtstrahlenden Himmel ziehen. Besonders hübsch erscheinen die Reisfelder des niederen Gebirges, die bis zu tausend Meter aufsteigen und oft in halbrunden Thalmulden die Bildung eines riesigen griechischen Amphitheaters nachahmen; die braunen Dämme, in gleichen Abständen sich über einander erhebend, entsprechen den Sitzreihen, wie man sie z. B. im Amphitheater von Syrakus so schön erhalten sieht.

Da in dem "ewigen Sommer" von Java der Unterschied der Jahreszeiten größtentheils fortfällt, dauert auch die Reiscultur das ganze Jahr hindurch; oft folgen sich auf denselben Sawahs zwei Ernten in verschiedenen Jahreszeiten. Daher hat man auf der Eisenbahn, niedere und höhere Gegenden rasch nach einander durcheilend, Gelegenheit, die altgewohnte Reiscultur der Javanen in allen Stadien der Entwicklung zu beobachten. Zuerst weden kleine Saatfelder angelegt; ganze reife Reisähren werden in diese Wasserbecken gelegt, in denen die jungen Pflänzchen vierzig bis achtzig Tage Zeit zur Keimung haben. Da sie viel zu dicht stehen, werden sie dann herausgenommen und auf die gut vorbereiteten Felder übertragen. Die Arbeiten der Männer an dieser Vorbereitung sieht man überall im Gange; der javanische Bauer erscheint bei dieser Thätigkeit von ferne wie ein wandelnder Hutpilz, indem seine dünne halbnackte Figur von einem mächtigen, verschieden gefärbten, flach tellerförmigen Strohhute bedeckt wird, dessen Durchmesser 1 Meter und darüber erreicht; gleichzeitig Schutzdach gegen Sonnenbrand und Regenguß. Mit leichter Jacke und kurzer Kniehose bekleidet, wandelt er so hinterm dem schweren Pfluge her, welchen zwei mächtige Büffel durch den Schlamm ziehen, ebenfalls bis an die Kniee im Wasser watend. Nachher wird der Boden, aus welchem Frauen und Kinder sorgfältig das Unkraut ausjäten, noch geeggt, dann das Wasser abgelassen.

Nun beginnt die mühsame Arbeit der Frauen und Kinder; sie nehmen die jungen Keimpflanzen aus den Saatbeeten und übertragen sie auf das so vorbereitete Sawah; dabei werden immer mehrere Pflänzchen in je ein Pflanzloch gesetzt, ganz regelmäßig in gleichen Abständen in Reihen geordnet. Nachdem jetzt die Felder wieder unter Wasser gesetzt sind, gleichen sie eine Zeit lang flachen Teichen. Bald aber wachsen aus der Wasserfläche die zarten, gelblichen Reishalme empor und erheben sich zur Bildung der wogenden Felder, deren lichtes Sammetgrün das Auge erfreut. Geht dann die Frucht der Reife entgegen, so werden überall Vogelscheuchen aufgestellt: Blätter von Cocos- und Arengpalmen, deren Fiedern rauschend im Winde flattern. In besonderen kleinen Wächterhäuschen, auf hohen Bambuspfählen sich erhebend, sitzen Feldhüter, welche lange, nach allen Seiten ausgespannte Schnüre in Bewegung setzen. Die bunten Kleiderfetzen und Puppen, die an diesen Schnüren befestigt sind, dienen zum Verscheuchen der Reisfinken und sonstiger Diebe aus der Thierwelt.

Ganz anders sehen die Sawahs wieder einige Wochen später aus, wenn die Erntezeit naht; die Felder werden wieder trocken gelegt, und nun beginnt das Fest des Erntens. Alt und Jung wandelt zu den reifen, goldenen Schätzen hinaus, schneidet mit kleinen Messern sorgfältig die einzelnen Aehren ab und bindet sie zu kleinen Büscheln und diese zu Garben zusammen. An den beiden Enden einer langen, elastischen Tragstange - wieder eines Bambusrohrs - aufgehängt, werden die Lasten von den Männern über die Schultern genommen und auf den Markt oder in die kleinen niedlichen Reisscheuern gebracht, die man zwischen den Hütten sieht: zierliche Miniaturhäuschen mit steilem, überhängenden Dach, auf vier hohen Pfählen ruhend, die nach unten convergiren. Die bunten Kleider, welche die Javanen bei der Reisernte anziehen: die rothen, violetten und grünen Jacken (Kabayas) und Röcke (Sarongs) der Frauen, die weißen, gelben und blauen Jacken und breiten Schüsselhüte der Männer erhöhen den Reiz des bunten Bildes, das ein solches Erntefeld gewährt.

Die malayischen Bewohner des Preanger Landes zeichnen sich großentheils vor den meisten übrigen Javanen durch schönen und ebenmäßigen Körperbau aus. Auch die Gesichtsbildung ist edler, Mund und Nase feiner, die Augen weniger geschlitzt, die Backenknochen nicht so vorspringend. Wahrscheinlich ist diese Veredelung auf die starke Mischung mit dem arischen Blute der Hindu-Eroberer zurückzuführen, die schon vor 1200 Jahren auch in anderen Districten von Java in großer Ausdehung stattgefunden hat.

Ein sehr wesentliches Element in der reichen Staffage dieser heiteren javanischen Landschaft sind die  K a r b a u s, die mächtigen javanischen Büffel, die nicht allein beim Bebauen der Reisfelder, sondern auch als wichtigste Last- und Transprotthiere überall Verwendung finden. Sie sind bedeutend plumper und stärker als unsere schwarzen europäischen Büffel, von lichtgrauer Farbe, die oft in Rosenroth übergeht, wenn die röthliche Haut durch das spärliche Haar schimmert; der breite flache Kopf ist mit zwei mächtigen einwärts gekrümmten Hörnern bewaffnet. Mit Vorliebe sich im Schlamme wälzend, erinnern diese plumpen Karbaus an ausgestorbene Riesenhufthiere der Tertiärzeit. Ein besonders niedliches Bild geben oft nackte, kleine Jungen von sechs bis zehn Jahren ab, welche der Länge nach auf dem Rücken eines im Wasser stehenden Büffels gelagert sind, den Kopf auf die Ellbogen gestützt.

Diese und ähnliche Bilder beschäftigen Auge und Phantasie in stetem Wechsel und in angenehmster Weise während der Fahrt von Tjandjur nach Garut. Die Wagen zweiter Klasse, in denen ich fuhr, sind sehr bequem und luftig gebaut, mit langen Rohrbänken, oben mit doppeltem Schattendach, seitlich mit Glasfenstern und dicht schließenden Jalousien, so daß man sich vor der Gluth der Tropensonne gut schützen kann. Ich habe darin von der Hitze weniger gelitten als in unseren gepolsterten deutschen Eisenbahnwaren zweiter Klasse. Ein Gang, der durch die Mitte des Wagens oder auf einer Seite der Länge nach durchführt, gestattet, den Sitz öfter zu wechseln und die Aussicht nach beiden Seiten zu genießen. Die kleineren Coupés erster Klasse, mit wenigen großen Ledersesseln, fand ich nicht so angenehm. Die großen Wagen dritter Klasse, sehr einfach, sind mit brauen Eingeborenen und gelben

Fig. 36.  K a r b a u  oder  J a v a n i s c h e r   B ü f f e l.
Chinesen gefüllt, beide große Freunde des Eisenbahnfahrens. Die Conducteure sind sehr höfliche Javanen.

Für Erfrischungen ist an vielen Stationen während der langen, heißen Fahrt gesorgt. Eingeborene Frauen bieten Milch, Wasser, Fruchtsäfte und Spirituosen an, sowie Eier und Brot. Andere halten Körbe mit Ananas, Pisangs, Mangos, Rambuttan, Mangostin und anderen Früchten feil. An manchen größeren Stationen ist gleich neben dem Bahnhof ein kleiner Obstmarkt, in dessen offenen Buden solche erquickende Tropen-Früchte in großer Zahl und Auswahl zu haben sind. Oefter ließ ich mir da eine Cocos-Nuß öffnen und trank deren kühle, wohlschmeckende Milch mit großem Behagen. Eine Ananas nahm ich meistens mit in den Waggon und verzehrte diese aromatische Frucht mit stets erneutem Genusse.

Nachmittags passirten wir  B a n d j o n g, die Hauptstadt der Preanger Provinz, herrlich auf einer rings von Vulcanen umgebenen Hochebene

Fig. 37.  O b s t m a r k t   i n   J a v a. Die Kränze, welche links oben am Dach der Bude hängen, sind Büschel von gelben Pisangs oder Bananen (Musa). Ueber dem Kopfe des kleinen Jungen (unten in der Mitte) liegt ein Haufen von Cocos-Nüssen.
gelegen. Von der Station aus sieht man wenig von der weit ausgedehnten Stadt, deren Häuser und Villen zwischen Gärten und Fruchtbäumen versteckt sind. Eine Stunde später erreichen wir, abermals aufsteigend, das malerische Tjitjalengha, von wo die Bahn noch bis Nagrek 177 Meter steigt, um sich dann in vielen Windungen 264 Meter tief nach  T j i b a t u  zu senken. Von hier geht die Hauptbahn in östlicher Richtung nach Maos weiter; rechts führt eine Zweigbahn in südlicher Richtung nach Garut; wir erreichen es in einer Stunde. Bei Tjisat überschreiten wir eine 40 Meter tiefe Kluft auf einem 180 Meter langen Viadukt; überall rechts und links bewaldete Vulcane über den fruchtbaren, gut bebauten Thälern; so kommen wir, in beständigem Genusse der wilden Gebirgslandschaft, nach Garut (geschrieben Garout).

Fig. 38: E i n   P f e r d e - K a r r e n  im Preanger Lande. (Rechts eine Pisang-Staude.)
Fig. 39.  E i n e   Q u a d r i l l e   v o n   j a v a n i s c h e n   T ä n z e r n.

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