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Kapitel III

Colombo

Am 21. November 1881, in der strahlenden Lichtfülle eines wolkenlosen Tropenmorgens, betrat ich den Boden der immergrünen Wunderinsel  C e y l o n , auf der ich vier lehr- und genußreiche Monate meines Lebens zubringen sollte. Der österreichische Lloyd-Dampfer „Helios", der uns in fünf Tagen von Bombay beim schönsten Wetter auf spiegelglatter See nach Ceylon hinübergeführt hatte, war schon nach Mitternacht in Sicht der Insel. beim ersten Morgengrauen war ich auf Deck, um das ersehnte Endziel meiner Reise, das „gelobte Land" meiner Naturforscherwünsche, sobald als möglich in Augenschein zu nehmen. Da erhob sich im Osten vor uns über dem dunkeln Spiegel des indischen Oceans ein schmaler Streifen, in der Mitte ein wenig verdickt und mit einer vorspringenden Spitze versehen. Die kurze tropische Morgendämmerung wich rasch dem anbrechenden Tageslichte und nun entpuppte sich jener schmale Streifen als ein langgedehnter Küstensaum von Cocoswäldern an der nahen Westküste von Ceylon, seine mittlere Verdickung aber als die Bergkette des centralen Hochlandes, aus welcher der kegelförmige  A d a m s -  P i k , die weltberühmte und sagenumwebte Hauptspitze der Insel, bedeutungsvoll hervorragte. Völlig klar und scharf gezeichnet hoben sich die Umrisse dieser dunkelblauen Bergmassen an dem hellen, wolkenlosen Morgenhimmel ab; als die glühende Kugel der aufgehenden sonne über denselben empor tauchte, konnten wir auch eine Kette von niedrigen Vorbergen erkennen, welche sie vom Küstensaum trennte. Die weißen Stämme der Cocospalmen an letzterem ließen sich bald deutlich unterscheiden, und als wir uns mehr näherten, wurden auch die einzelnen Theile der Hauptstadt  C o l o m b o  sichtbar, gerade vor uns das Fort mit dem Hafen, zur Rechten (südlich) die Vorstadt Kolpetty, zur Linken (nördlich) die „schwarze Stadt", Pettah. Ich begrüßte es als ein gutes Omen für das glückliche Gelingen meiner Reise, daß gleich der erste Anblick der ersehnten Insel von strahlender Heiterkeit des wolkenlosen Himmels und völliger Klarheit der reinen balsamischen Morgenluft begünstigt war, - um so mehr, als gewöhnlich nähere oder fernere Wolkenschleier schon am frühen Morgen das Gebirgsland ganz oder theilweise verhüllen. Das erste Boot, welches sich unserem Dampfer näherte, brachte uns den Lootsen an Bord, der uns in den Hafen führte; es war gleich den zahlreichen anderen, bald erscheinenden Booten von jener höchst sonderbaren Form, die in der südasiatischen Inselwelt weit verbreitet, in Ceylon, ihrem westlichen Ausläufer, aber besonders eigenthümlich entwickelt ist: ein ausgehöhlter Baumstamm von ungefähr 20 Fuß Länge; durch aufgebundene senkrechte seitliche Bretter sind seine beiden Seitenwände auf 3 Fuß erhöht, aber die Breite zwischen diesen beträgt kaum 1 1/2 Fuß, so daß keine erwachsene Person darin sitzen kann, ohne beide Beine hinter einander zu stellen. Von einer Seite des Bootes gehen rechtwinkelig zwei gekrümmte parallele Stäbe oder Bambusstämme ab, welche an ihrem Ende durch einen dickeren (dem Canoe parallelen) Stamm verbunden sind. Dieser „Outrigger" oder „Ausleger" schwimmt flach auf dem Wasserspiegel und verleiht dem schmalen und gebrechlichen Fahrzeug einen hohen Grad von Sicherheit. Da ich später diese wunderlichen Kähne für meine zoologischen Excursionen ausschließlich benutzte, werde ich noch Gelegenheit genug finden, ihre Licht- und Schattenseiten zu würdigen. Heute, bei der Ankunft in Ceylon, erregten sie vorzugsweise durch ihre malerische Form mein Interesse, um so mehr, als die darin befindliche singhalesische Bemannung nicht minder eigenthümlich und originell erschien, als die Boote selbst. Bald war unser Schiff jetzt im Hafen und bedeckte sich mit Singhalesen, welche Früchte, Fische und andere Lebensmittel, sowie verschiedene kleine Industrieproducte zum Verkaufe brachten. Die Meisten sind nackte, braune Gestalten, deren einziges Kleidungsstück aus dem „Comboy" oder „Sarong" besteht, einem rothen Stück Baumwollenzeug, welches gleich einer breiten Schürze unter dem Gürtel festgebunden wird und die Beine größtentheils verhüllt. Andere - insbesondere die rudernden Bootsleute - begnügen sich statt dessen mit einem einfachen Schurz, gleich einer schmalen Schwimmhose. Alle aber tragen ihr langes, schwarzes Haar sorgfältig frisirt, und meistens in einem starken Zopf aufgewickelt, welcher durch einen breiten Schildpatt- Kamm am Hinterhaupt befestigt wird; sie erhalten hierdurch ein auffallend weibisches Aussehen, um so mehr, als ihr Körperbau zierlich und schwächlich ist, besonders Hände und Füße klein und die Gesichtszüge weichlich. Weit kräftiger und männlicher erscheinen dagegen die nackten schwarzen Tamils, welche Kohlenboote herbeirudern. Gar sehr verschieden von Beiden sind wiederum einige Indo-Araber oder „Mohren" (Moormen), stattliche Gestalten in langen weißen Kaftan und weißen Pumphosen, das braune langbärtige Haupt mit einem hohen gelben Turban bedeckt. Sie bringen Edelsteine, Muscheln, Silber-Arbeiten und Schmucksachen zum Verkaufe an Bord, während die Singhalesen theils Cocosnüsse, Ananas, Fische und Krebse, theils die charakteristischen Producte ihrer nationalen Industrie feil bieten: Elephanten und Buddha-Bilder aus Elfenbein oder Ebenholz geschnitzt; Körbchen und Matten, aus Binsen und Palmfasern geflochten, Kästchen und Stöcke aus verschiedenen Holzarten u. s. w. Die Preise, welche die Eingeborenen für diese Handelsartikel fordern, betragen in der Regel das Dreifache oder Vierfache, oft aber auch das Zehnfache ihres wahren Werthes; und einer unserer Reisegefährten kaufte um eine Rupie (einen Gulden) einen schönen Edelstein, für welchen der Verkäufer unmittelbar vorher acht Pfund Sterling (= 80 Rupien!) gefordert hatte; natürlich war dieses kostbare Kleinod, gleich den meisten anderen „Edelsteinen" der „Rubin-Insel" nichts Anderes, als ein europäisches Kunstproduct aus geschliffenem bunten Glase! Solche werden jetzt alljährlich massenweis importirt. Während dieses unterhaltenden Schauspieles, welches sich schon in erster Morgenfrühe auf unserem Schiffe entwickelte, erschien das Boot des österreichischen Lloyd und brachte den dortigen Agenten desselben, Hern  S t i p p e r g e  r , an Bord des „Helios". Ich war an diesen Herrn sowohl von der Direction des Lloyd, als auch von mehreren Freunden in Triest und Bombay speciell empfohlen und wurde von ihm auf das Allerfreundlichste empfangen. Er lud mich zunächst ein, die ersten Wochen bei ihm zu wohnen, und that auch fernerhin mit größter Aufmerksamkeit und zuvorkommendster Sorgfalt Alles, was geeignet war, mir meinen Aufenthalt auf Ceylon so angenehm und nutzbringend als möglich zu gestalten. Ich erfülle nur eine Pflicht der Dankbarkeit, indem ich hier demselben den herzlichsten Dank für die unermüdliche Freundschaft ausspreche, welche er mir in den vier Monaten meines Aufenthalts auf Ceylon bewiesen hat. Wenn ich diese kurze Zeit auf das Beste ausnutzen und wohl mehr darin sehen, lernen und arbeiten konnte, als mancher andere Reisende in Jahresfrist, so verdanke ich das großentheils meiner „singhalesischen Providenza", wie ich den liebenswürdigen Freund Stipperger scherzweise nannte. Derselbe (ein geborner Wiener und wenige Jahre jünger als ich) war früher Officier in der osterreichischen Marine gewesen, und war dann später nach wechselvollen Schicksalen in die Dienste des österreichischen Lloyd getreten. Ich kann nur wünschen, daß der letztere seiner ausgezeichneten Befähigung und sienen vielseitigen Kenntnissen die gebührende Anerkennung zolle! Nach herzlichem Abschiede von den Schiffsofficieren des „Helios" und von den Reisegefährten, welche mit demselben weiter nach Singapore und Hongkong fuhren, verließ ich das schöne Schiff, das mich von Triest so sicher und ruhig hierher getragen, und fuhr in dem Boote des österreichischen Lloyd - als dessen besonderer Schützling ich auch fernerhin auf Ceylon gegünstigt wurde - mit Herrn Stipperger an das Land. Durch die gütige Vermittelung des Letzteren und mit Hilfe der officiellen Empfehlung der englischen Regierung an den Gouverneur von Ceylon wurde mir der zollfreie Eingang meines umfangreichen Gepäcks ermöglicht und die unangenehmen Plackereien, welche mit der Oeffnung von sechzehn verschiedenen Kisten und Koffern verbunden sind, erspart. Wir bestiegen gleich am Hafen einen Wagen und fuhren in des „Office" oder Geschäfts-Bureau des österreichischen Lloyd; von dort zu einem ersten Frühstück nach dem Clubhause. Dann verwendete ich die ersten Stunden nach der Ankunft, um alsbald einige der nöthigsten Besuche zu machen und mehrere wichtige Empfehlungsschreiben abzugeben, mit welchen der deutsche Consul in Colombo, Herr Freudenberg (derzeit in Deutschland) mich freundlichst versehen hatte. So verging der Vormittag und ein Theil des Nachmittags, und ich lernte gleich an diesem ersten Tage in Ceylon unter der gütigen und kenntnißreichen Führung meines ortskundigen Gastfreundes einen großen Theil von der Hauptstadt Colombo und von denjenigen Bewohnern derselben kennen, welche für mich von besonderem persönlichen Interesse waren. Um 5 Uhr Nachmittags waren die ersten Besuche beendigt und ich fuhr in Stipperger's leichter zweirädriger Kalesche, von einem schnellen australischen Rappenhengste gezogen, nach seiner Wohnung, „Whist-Bungalow", eine gute Stunde Weges (drei englische Meilen) von der centralen Geschäftsstadt oder dem sogenannten Fort entfernt. C o l o m b o  besteht gleich Bombay und den meisten größeren Städten Ostindiens aus einem europäischen Geschaftsviertel, dem centralen „Fort", und aus mehreren Vorstädten, welche letzteres umgeben und vorzugsweise Sitz der eingeborenen Bevölkerung sind. Das Fort von Colombo wurde 1517 von den Portugiesen als ihre wichtigste Factorei auf Ceylon gegründet und stark befestigt; sie waren die ersten europäischen Herren der Insel, 1505 auf derselben gelandet und blieben 150 Jahre in deren Besitz; ungefähr eben so lange als die Holländer, durch welche sie verdrängt wurden. Auch unter diesen, wie unter den Engländern, welche 1796 (am 16. Februar) Ceylon den Holländern abnahmen, blieb Colombo die Hauptstadt der Insel, obgleich andere Punkte, vor Allem Punto Galla, in vieler Hinsicht wohl besser sich dazu eigneten. Gerade in den letzten Jahren hat die englische Regierung besondere Anstrengungen gemacht, definitiv das Principat von Colombo zu befestigen, und so wird es wohl vorläufig, vielen ungünstigen Bedingungen zum Trotz, Capitale bleiben. Für eine wirkliche Hauptstadt ist die erste Bedingung natürlich ein guter Hafen. Ein solcher fehlt aber Colombo, währen Galla ihn besitzt. Freilich kann man jetzt fast an jedem beliebigen Küstenpunkte einen künstlichen Hafen errichten, indem man den flachen Grund des Meerbodens durch Ausbaggern vertieft und an den gefährlichsten, dem Wind und Wellenschlag am meisten ausgesetzten Seiten Steindämme in das Meer hinausbaut, welche als „Wellenbrecher" oder „Breakwater" dienen; es gehört nur viel Geld dazu! So ist der künstliche Hafen von Port-Said an der nördlichen Mündung des Suez-Canals hergestellt. In gleicher Weise hat auch die englische Regierung in den letzten Jahren mit großen Kosten einen mächtigen Wellenbrecher an der Südseite des kleinen und schlechten Hafens von Colombo erbaut; derselbe springt weit gegen Nordwest in die See vor und schützt den Hafen gegen die wüthenden Angriffe des Südwest-Monsun, während er zugleich seinen Umfang beträchtlich erweitert. Allein es wird stark bezweifelt, ob dieser Wellenbrecher auf die Dauer ohne große beständige Ausgaben für Reparaturen haltbar ist. Jedenfalls hätte man mit viel weniger Kosten das schöne und große natürliche Hafenbeckenvon Galla bedeutend verbessern und ganz vorzüglich herstellen können. Die Felsblöcke und Korallenriffe, welche in letzterem der Schiffahrt Hindernisse bereiten, würden sich bei dem heutigen Zustande unserer Sprengkunst mit wenig Aufwand von Dynamit entfernen lassen. Zunächst indessen hat jedenfalls in dem Wettstreit zwischen den beiden Hafenstädten der Westküste die alte Hauptstadt Colombo den Sieg über das von der Natur begünstigtere Galla davon getragen, obwohl letzteres durch Klima, geographische Lage und Umgebung den Vorrang verdiente. Das Klima von Colombo ist ungemein heiß, drückend und erschlaffend - eins der heißesten der Erde, während dasjenige von Galla durch den Einfluß frischer Brisen gemildert wird. Anmuthige Hügel in der Umgebung von Galla, theils mit den reichsten Culturpflanzungen, theils mit Wald bedeckt, machen den Aufenthalt daselbst sehr angenehm und gesund, während die Umgebung von Colombo ganz flach und zum großen Theil mit Sümpfen und stagnirenden Wassern bedeckt ist. Punto-Galla liegt unmittelbar am Seewege zwischen Europa und Indien und war daher bis vor Kurzem die natürliche Hauptstation der Schiffahrt für Ceylon. Jetzt hingegen, wo letztere sich nach der Hauptstadt Colombo gezogen hat, müssen alle Schiffe (da die Straße von Manaar nicht passirbar ist) den Umweg über Colombo hin und zurück machen. Trotzdem vollzieht sich unaufhaltsam der Sieg von Colombo, und gerade jetzt stand die größte und einflußreichste unter allen Schiffahrts- Gesellschaften Indiens, die P. und O.-Company, im Begriffe, ihre Bureaux und Factoreien von Galla nach Colombo überzusiedeln, nachdem bereits die meisten anderen Gesellschaften ihr voran gegangen waren. Die damit verbundenen großen Umwälzungen waren vielfach Gegenstand lebhaftester Discussion während meiner Anwesenheit in Ceylon. Das  F o r t   v o n   C o l o m b o  liegt an der Südseite der Hafenbucht, auf einem felsigen Vorgebirge von geringem Umfange, welches als Landmarke der flachen Westküste ziemlich weit sichtbar ist; dasselbe findet sich bereits von dem alten Geographen Ptolemäus (im zweiten Jahrhunderte nach Chr.) auf seiner verhältnißmäßig trefflichen Karte von Ceylon (= „Salike") als Jupiters-Cap („Jovis Extremum = Dios Acron") verzeichnet. Die Wälle des Forts (von den Holländern stark befestigt) sind noch heute mit Kanonen armirt und fast rings von Wasser umgeben; auf zwei Drittel ihres Umfangs vom Meere bespült, im letzten Drittel (an der Südostseite) von einer breiten Lagune; mehrere Dämme und Brücken durchschneiden letztere und verbinden das Fort mit dem Festland. Die wenigen engen und kurzen Straßen des Forts, welche sich rechwinkelig kreuzen, sind größtentheils mit Bureaux und Waarenlagern der europäischen Kaufleute, sowie mit einer Anzahl öffentlicher und Regierungsgebäude ausgefüllt. Unter letzteren ist das bedeutendste der hübsche Palast des Gouverneurs, Queenshouse genannt, von einem Kranze üppigster Vegetation umgeben, mit weiten Säulenhallen, grooßen luftigen Sälen und einem stattlichen Treppenhaus. Ich betrat diesen schönen Palasst schon am Tage nach meiner Ankunft, wo der Gouverneur meine Empfehlungsschreiben von der englischen Regierung in Empfang nahm. Die innere Ausstattung des Palastes ist geschmackvoll und dem orientalischen Glanze eines britischen Alleinherrschers der Insel (- denn das ist der Gouverneur thatsächlich! -) angemessen. Zahlreiche indische Diener in bunten phantastischen Uniformen versehen den Hausdienst, während roth- und golduniformierte englische Soldaten die Wache halten. Die Straße des Forts, in welcher das österreichische Lloyd- Bureau liegt und welche ich nach meiner Landung zuerst betrat, Chatham-Street ist gleich vielen anderen Straßen von Colombo und Galla, mit schattigen Alleen von schönen Malvenbäumen (Hibiscus) verziert; ihre großen gelben oder rothen Blüthen bedecken in Menge den Boden. Chatham-Street enthält zugleich diejenigen Kaufläden, die für mene Person in Colombo allein von Interesse waren: Handlungen mit Photographien von Landschaften und Läden mit lebenden Thieren. Da hatte ich denn gleich in der ersten Stunde nach meiner Ankunft auf Ceylon das große Vergnügen, durch die in den Schaufenstern ausgestellten Musterphotographien eine Übersicht über die schönsten Punkte des wilden Gebirges und des malerischen Küstenlandes, sowie über die erstaunlichen Wunderwerke der prachtvollen Vegetation zu erhalten: Palmen und Pisang, Pandanus und Lianen, Farnbäume, Benyanen u. s. w. Nicht minder anziehend war es natürlich für mich, gleich in den ersten Stunden auf der Wunderinsel die persönliche Bekanntschaft einiger ihrer interessantesten Thiere zu machen: vor Allem der Affen, der gefleckten Axishirsche, der Papageien, der Prachttauben u. s. w. An der Südseite des Forts befinden sich die Baracken der englischen Truppen, stattliche luftige Kasernen und Zelte, die sich zum Theil noch bis an die Ufer der Lagune ausdehnen. Südlich daran stößt das Militärhospital und dann die grüne Esplanande, „Galla Face" genannt, weil die große Küstenstraße nach Galla hier ihren Anfang nimmt. Abends, in den Stunden zwischen 5 und 6 Uhr, ist der weite grüne Rasenplatz der Esplanade, der sich zwischen der Lagune und der Meeresküste nach Süden erstreckt, der Sammelplatz der schönen, vornehmen und eleganten Welt von Ceylon. Hier hält dieselbe, wie im Hyde-Park zu London, ihren täglichen „Corso" während der Saison ab; erholt sich in der Kühle der abendlichen Brise von der Last der drückenden Mittagshitze und genießt das prachtvolle Schauspiel des Sonnenunterganges, häufig durch die mannigfaltigsten und wunderbarsten Wolkenbildungen verschönt. Dabei produciren sich die vornehmen jungen Herren von Colombo hoch zu Roß (zum Theil auf recht miserablen Gäulen!), die schönen Damen, mit Blumenbouquets nachlässig in den Equipagen hingestreckt, in elegantester Tropentoilette. Gleich nach Sonnenuntergang eilt aber Alles sofort nach Hause, theils um der gefürchteten Fieberluft des Abends zu entgehen, theils um die wichtigen Vorbereitungen für die Toilette zum Diner zu treffen, welch letzteres meistens um 7 1/2 Uhr stattfindet (natürlich stets in schwarzem Frack und weißer Halsbinde, wie in „Old England" -). Als ich in der heißen Mittagsstunde die Explanade zum ersten Male betrat, lernte ich gleich die ganze Gewalt der Höllengluth kennen, welche Helios auf solchen unbedeckten Flächen der Insel hervorzurufen im Stande ist; die Umrisse der Gegenstände in geringer Entfernung schwankten unbestimmt in dem zitternden Lichte der aufsteigenden heißen Luftströme; und auf dem rothen Sandwege inmitten der grünen Grasfläche erblickte ich eine Fata Morgana, die hier sehr häufig gesehen wird. Die Mirage spiegelte eine glänzende Wasserfläche mitten in demselben vor, welche von den entgegenkommenden Wagen und Fußgängern gleich einer Flußfahrt durchschnitten wurde. Das Thermometer zeigte in den kühlen und erfrischenden Räumen des Clubhauses 24o R.! Draußen in der Sonne würde es wohl auf 36-40o gestiegen sein. Südlich an die Esplanade stößt eine Vorstadt, die sich weit nach Süden, zwischen dem flachen sandigen Meeresstrande und der Landstraße nach Galla hinzieht: Kolupityia oder  C o l p e t t y . Zu beiden Seiten der Landstraße liegen eine Anzahl der schönsten Villen, von reizenden Gärten umgeben. Nach Westen hin setzt sich dieses Villenvierten in die sogenannten  Z i m m t g ä r& nbsp;t e n  oder „Cinnamon-Gardens" fort. Diese haben gegenwärtig, seitdem sich die englische Regierung gezwungen saht, ihr einträgliches Zimmtmonopol ganz aufzugeben, ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, sind größtentheils parcellirt und zu Privatgärten der wohlhabendsten Kaufleute geworden. Die eleganten Villen inmitten derselben sind von einem auserlesenen Schmucke der schönsten tropischen Blumen und Bäume umgeben. Die Wohnungen sin dhier am theuersten und luxuriösesten eingerichtet und „Cinnamon- Gardens" gilt als das erste und vornehmste Villenquartier. Allein die größere Entfernung von der Seeküste und ihrer erfrischenden Brise, sowie die flache Lage in der Nähe der Lagunenarme hat auch ihre großen Nachtheile. Die drückende und erschlaffende Hitze erreicht hier ihren Höhepunkt und am Abend machen zahllose Moskitoscharen den Aufenthalt höchst ungemüthlich, während eine Masse verschiedener Arten von Fröschen und Laubfröschen durch ihr lautes nächtliches Concert die ersehnte Ruhe stört. Dasselbe gilt in höheren Maße noch von dem daran stoßenden Stadtviertel „Slave-Island", der „Sklaven-Insel", so genannt, weil im vorigen Jahrhundert die Holländer hier über Nacht die Sklaven der Regierung einsperrten. Die landschaftliche Scenerie dieses Theiles gehört jedoch zu den schönsten von Colombo. Die Buchten des ausgedehnten Sees sind von reizenden, sorgfältig gepflegten Gärten eingefaßt, über welchen die Cocospalmen auf schlanken Stämmen ihre Federkronen neigen; elegante Villen der Europäer und malerische Hütten der Eingeborenen liegen dazwischen zerstreut; als großartiger Hintergrund erhebt sich darüber in blauer Ferne die Gebirgskette des centralen Hochlandes, in der Mitte alle anderen überragend der kegelförmige Gipfel des stolzen Adams-Pik. Eine abendliche Kahnfahrt auf diesem stillen Wasserspiegel mit seiner wunderbaren Umgebung gehört zu den größten Genüssen von Colombo. Im Norden von den oben genannten Stadttheilen dehnt sich die dicht bevölkerte  P e t t a h  aus, die  „ s c h w a r z e    S t a d t "  der Eingeborenen. Sie erstreckt sich über eine Stunde weit längs des Seeufers bis zur Ausmündung des großen Flusses von Colombo hin, des Kelany-Gauga oder Kalan-Ganga. Dieser hat ursprünglich der Stadt den Namen gegeben: Kalan-Totta oder Kalan-Bua. Schon im Jahre 1340 führt sie Ibn-Batuta als „Calambu" auf, die „schönste und größte Stadt in Serendib" (der alte Inselname der Araber). Die Portugiesen machten daraus später „Colombo". Da, wo der stattliche Kelany-Fluy sich in den indischen Ocean ergießt und ein breites Delta bildet, liegt nahe bei der malerischen Mündungswelle (unmittelbar am Meer) die Villa, in welcher mein Freund Stipperber wohnte und in welcher ich die beiden ersten genußreichen Wochen auf Ceylon verlebte. Hier genoß ich in vollen Zügen den Reiz der neuen, großartigen und wunderbaren Eindrücke, die in Ceylon über den neuangekommenen Europäer, den „Griffin" sich ergießen. Gerade dieser nördlichste Ausläufer von Colombo, welcher den besonderen Namen Mutwal (und zuletzt Modera) führt, ist nach meiner Ueberzeugung einer der interessantesten und schönsten Theile in der ganzen Umgebung der Hauptstadt. Nie werde ich die bunte Pracht der fremdartigen indischen Scenen vergessen, welche gleich der wechselnden Bilderreihe einer Laterna magica an meinem staunenden Auge vorüberzog, als ich am ersten Abend vom Fort nach Whist-Bungalow hinausfuhr. Da erblickte ich in der Pettah vor den offenen Hütten ziemlich Alles versammelt und auf den engen Straßen unter dem Schatten der überall aufstrebenden Cocospalmen Alles durcheinander gemischt, was die bunt zusammengesetzt Bevölkerung von Colombo an charakteristischen Typen aufzuweisen hat. Wie allenthalben in der Tropenzone ist ohnehin das Leben und Treiben der Eingeborenen zum größten Theile öffentlich; und wie die Hitze der tropischen Sonne die Bedürfnisse der menschlichen Kleidung auf das Allernothwendigste reducirt, so öffnet sich auch das Innere der Hütten und Läden, in welchen weder Fenster noch Thüren den Einblick von außen hindern. An Stelle der letzteren findet sich eine große einfache Oeffnung, die bei Nacht oder bei Unwetter durch herabgezogene Matten oder durch vorgeschobene Latten geschlossen wird. Alle Handwerker sieht man so neben oder in ihren Läden, oder auch ganz auf offener Straße hantiren, und die intimsten Scenen des häuslichen und Familienlebens entziehen sich nicht dem neugierigen Blicke. Der besondere Reiz, den der Anblick dieser indischen Hütten auf den Europäer ausübt, liegt theils in dieser naiven Oeffentlichkeit ihres häuslichen Lebens, theils in der primitiven Einfachheit der Bedürfnisse, von denen die geringe Zahl der nothwendigsten Hausgeräthe Zeugniß ablegt, tehils in der Harmonie mit der umgebenden Natur. Die kleinen Gärten, welche die Hütten stets umgeben, sind so kunstlos angelegt und wenigen Nutzpflanzen in denselben, welche den bedeutendsten Theil des Besitzes und des Lebensunterhaltes liefern, so mannigfaltig um dieselben gruppirt, daß Alles zusammen von selbst aus dem Boden gewachsen zu sein scheint. Die wichtigsten von diesen Charakterpflanzen sind die „Fürsten des Pflanzenreiches", die  P a l m e n; und zwar im ganzen westlichen und südlichen Küstenlande die  C o c o s p a l m  e , von der bekanntlich jeder einzelne Theil nützlich Verwendung findet, und welche oft den ganzen Reichthum der Singhalesen bildet. Ueberall ist sie daher in den Städten und Dörfern, wie in deren Umgebung, derjenige Baum, der zuerst und am meisten in die Augen fällt und der Landschaft vorzugsweise ihr Gepräge aufdrückt. Die Zahl der Cocosstämme auf der Insel betragt gegen 40 Millionen, und jeder liefert gegen 80-100 Nüsse (8-10 Quart Oel). In der nördlichen Hälfte der Insel fehlt die Cocospalme ebenso wie in einem großen Theil des östlichen Küstenlandes. Hier tritt an ihre Stelle die nicht minder nützliche  P a l m y r a p  a l m e  (B o r a s s u s   f l a b e l l i f&n bsp;o r m i s). Das ist dieselbe Art, die auch die heißen und trockenen Striche der Halbinsel Vorderindiens bedeckt und die ich im Concan bei Bombay in solchen Mengen sah. Beide Palmen sind schon von Ferne sehr verschieden. Die Palmyra gehört zu den Fächerpalmen und hat einen starken und ganz geraden schwarzen Stamm, dessen Gipfel einen dichten Schopf handförmig gespaltener steifer Fächerblätter trägt. Die Cocos hingegen ist eine Fiederpalme; ihr schlanker weißer Stamm, 60-80 Fuß hoch, ist stets anmuthig gebogen und mit einer wuchtigen Krone von gewaltigen Fiederblättern verziert. Aehnliche, aber steifere und kleinere Blätter hat auch die zierliche  A r e c a p a l  m e  (Areca catechu), deren dünner rohrgleicher Stamm aber kerzengerade in die Höhe strebt; sie ist ebenfalls neben den Hütten der Singhalesen zu finden und liefert ihnen die beliebten Arecanüsse, welche zusammen mit den Blättern des Betelpfeffers allgemein gekaut werden und Speichel und Zähne roth färben. Eine andere Palme, die  K i t t u l  (Caryota urens) wird vorzugsweise wegen ihres reichlichen Zuckersaftes cultivirt, aus dem Palmzucker (Djaggeri) und Palmwein (Toddy) bereitet werden. Ihr steifer starker Stamm trägt eine Krone von doppelt gefiederten Blättern, die denen des Venushaar-Farns (Adiantum capillus Veneris) gleichen. Nächst den Palmen sind die wichtigsten Bäume in den kleinen Gärten der Singhalesne die Brodfrucht- und Mangobäume. Von ersteren finden sich zwei verschiedene Arten, die echte Brodfrucht (Artocarpus incisa) und die Jackfrucht (Artocarpus integrifolia) überall in stattlichen Prachtexemplaren vor; oft dazwischen die merkwürdigen Baumwollbäume (Bombax). Neben und unter diesen Bäumen sind ferner allgemein rings um die Hütten der Singhalesen deren beständige Begleiter angepflanzt, die herrlichen  B a n a n e n  oder Pisangpflanzen, die den Namen der „Paradiesfeigen" mit vollem Recht verdienen (Musa sapientum). Ihre schönen gelben Früchte, die sowohl roh als gebraten eines der besten Nahrungsmittel liefern, kommen hier in zahlreichen Sorten vor. Der prachtvolle Busch ihrer überhängenden lichtgrünen Riesenblätter, der sich von dem schlanken, hier oft über 20- 30 Fuß hohen Stamme erhebt, ist die schönste Decoration der singhalesischen Hütten. Aber kaum minder wesentlich für letztere sind auch die pfeilförmigen Riesenblätter der  A r o i d e e n , besonders des Caladium, die ihres Wurzelmehles halber allgemein cultivirt werden; ebenso wie die zierlichen Büsche der Manihot mit ihren handförmigen Blättern (zu den Euphorbiaceen gehörig). Das herrliche Grün dieser schönen Pflanzen nimmt sich neben den braunen Erdhütten um so glänzender aus, als es durch die lebhaft rothe Farbe der Erde (durch großen Reichthum an Eisenoxyd bedingt) kräftig gehoben wird. Dazu stimmt vortreffliche die zimmtbraune Hautfarbe der Singhalesen und schwarzbraume der Tamils. In Colombo selbst, wie in dem ganzen südlichen und westlichen Küstenlande der Insel (mit Ausnahme des norwestlichen Theiles) besteht die überwiegende Masse der Bevölkerung aus eigentlichen  S i n g h a l e s  e n . Mit diesem Namen bezeichnet mit die Nachkommen der indischen Hindubevölkerung, welche nach der Hauptquelle der ceylonesischen Geschichte, nach der Pali-Chronik „Mahawanso", im Jahre 543 vor Christi Geburt aus dem nördlichen Theile der Halbinsel Vorderindien unter dem Könige Wijayo nach Ceylon hinüber wanderte und die ursprüngliche Urbevölkerung der Insel verdrängte. Als versprengte Reste der letzteren gelten jetzt gewöhnlich die  W e d d a h s  oder Vellahs, ven denen einige wilde Horden noch in den ursprünglichsten Theilen des Inneren unter den primitivsten Verhältnissen leben. Nach der Ansicht Anderer sind die Weddahs hingegen herabgekommene und entartete, ausgestoßene oder „verwilderte" Nachkommen von Singhalesen, gleich den „Rodiahs". In der nördlichen Hälfte der Insel, sowie am östlichen Küstenstriche und in einem großen Theile des centralen Gebirgslandes wurden die echten Singhalesen später durch  M a l a b a r e n   oder „T a m i l s" verdrängt, welche aus dem südlichen Theile der Halbinsel Vorderindien, vorzüglich von der Malabarküste herüberkamen. Sie sind in jeder Beziehung, nach Körperbau, Gesichtsbildung, Hautfarbe, Sprache, Religion, Sitten und Gewohnheiten, von den Singhalesen sehr verschieden und gehören einem ganz anderen Zweige des menschlichen Stammbaums an, der  D r a v i d a -  R a s s e  Die Singhalesen hingegen werden von den meisten Anthropologen wohl mit Recht als ein alter Zweig der  a r i s c h e n   R a s s e  betrachtet. Sie sprechen einen Dialekt, welcher einem Zweige der Palisprache entsprungen zu sein scheint, während die Malabaren die ganz verschiedene Tamilsprache besitzen. Die ersteren sind meistens Buddhisten, die letzteren sind Hindu (Brahmanen). Gewöhnlich ist die braune Hautfarbe der kleineren, weichlicheren und schwächlicheren Singhalesen bedeutend heller, zimmtbraun bis lederbraun, hingegen diejenige der größeren, kräftigeren und schöneren Malabaren viel dunkler, kaffeebraun oder schwarzbraun. Erstere sind vorzugsweise mit Ackerbau, Reiscultur, Anpflanzungen von Palmen, Bananen und anderen Culturpflanzen beschäftigt; scheuen jedoch harte und schwere Arbeit. Diese letztere wird vorzugsweise von den Malabaren verrichtet, welche als Straßenarbeiter, Bauleute, Lastträger, Kutscher u. s. w. im Unterlande, als Arbeiter der Kaffeeplantagen im Oberlande Verwendung finden. Gegewärtig machen die Tamils oder Malabaren (deren Einwanderung von der indischen Halbinsel alljährlich zunimmt) schon ungefähr ein Drittel der Gesammtbevölkerung von Ceylon aus, während die Kopfzahl der Singhalesen drei Fünftel von Gesammtzahl der Bevölkerung beträgt; letztere beläuft sich gegenwärtig auf 2 1/2 Millionen. Nächst den Singhalesen oder Malabaren bilden nach Kopfzahl und Bedeutung den wichtigsten Theil der eingeborenen Bevölkerung von Ceylon die  I n d o -  A r a b e r  hier allgemein als „Mohren" (Moors oder Moormen) bezeichnet. Ihre Zahl beläuft sich auf ungefähr 150,000, also ein Zehntel der Singhalesen-Zahl. Sie sind die Nachkommen der  A r a b e r , welche schon seit mehr als zwei Jahrtausenden in Ceylon, wie in anderen Theilen des südlichen und südöstlichen Asiens festen Fuß fasten und namentlich zwischen dem achten und zehnten Jahrhunderte (bis zur Ankunft der Portugiesen) den wichtigsten Theil des Handels in ihrer Hand hatten. Auch heute noch wird der ganze Kleinhandel, sowie ein Theil des Großhandels der Insel fast ausschließlich von diesen thätigen und berechnenden Arabern betrieben; und sie spielen hier durch ihren Unternehmungsgeist, ihre berechnende Schlauheit und ihr verzügliches Talent für Geldgeschäfte eine ähnliche Rolle, wie die Juden in Europa; auch in anderen Beziehungen vertreten sie die Stelle der stammverwandten Juden, welche auf Ceylon gänzlich fehlen. Die Sprache und Schrift der Moormen ist noch heute theils Arabisch, theils ein Gemisch von Arabisch und Tamil. Ihre Religion ist überwiegend mohammedanisch (und zwar sunnitisch). Ihre Hautfarbe ist braungelb, ihre Gesichtsbildung unverkennbar semitisch; Haar und Bart meist lang und schwarz. Ihre kräftigen Figuren, in langen weißen Burnus und weite weiße Pumphosen gekleidet, nehmen sich zwischen den Singhalesen und Tamils um so stattlicher aus, als sie meist einen hohen gelben Turban, einer Bischofsmütze ähnlich, tragen. Gegen diese drei vorherrschenden Bestandtheile der ceylonischen Bevölkerung: (Singhalesen 60, Tamils 33, Indoaraber 6 Procent), treten die übrig bleibenden Reste derselben, zusammen kaum 1 Procent, der Zahl nach ganz zurück. Von diesen 25,000 Einwohnern kommen nur ungefähr 2000 auf die Rasse der wilden Ureinwohner, der  W e d d a h s . 8000 (nach Anderen nur ungefähr die Hälfte) sind Einwanderer aus den verschiedensten Gegenden Asiens und Afrikas: Malayen und Afghanen (vorzugsweise als Soldaten geworben), Parsis und Kaffern (Soldaten und Diener u. s. w.). Die  M i s c h l i n g  e  dieser verschiedenen „Native"-Rassen und der Europäer (etwa 10,000) enthalten die verschiedensten Combinationen und bieten der anthropologischen Classification interessante Schwierigkeiten. An diese schließen sich die sogenannten „Burgers" an (etwa 6000), die Nachkömmlinge der Portugiesen und der Holländer, meistens mehr oder weniger mit singhalesischem und Tamil-Blut gemischt. Diese liefern vorzugsweise das Heer der Schreiber und Rechner in den Comptoirs und Bureaux, der Subalternbeamten für die Regierung; sie werden als solche sehr geschätzt. Die Zahl der  E u r o p ä e r& nbsp; endlich, der „nichteingeborenen" Herren der Insel, beläuft sich im Ganzen nur auf 3-4000, ganz überwiegend natürlich Engländer und Schotten. In den Städten sind alle höheren Regierungsämter und alle großen Handelshäuser in ihren Händen. Im Gebirge bilden sie die zahlreiche und merkwürdige Classe der „Pflanzer", deren eigenthümliches Leben ich später auf der Gebirgsreise kennen lernte. Nach der Volkszählung von 1857 (also vor 25 Jahren) betrug die Gesammtzahl der Einwohner von Ceylon nur 1,760,000. Schon im Jahre 1871 (also vor 11 Jahren) war dieselbe auf 2,405,000 Seelen gestiegen, und gegenwärtig dürfte sie bereits die Zahl von 2,500,000 beträchtlich überschritten haben. Nehmen wir aber in runder Summe 2 1/2 Millionen als gegenwärtige Volkszahl an so dürften sich die verschiedenen Elemente etwa folgendermaßen vertheilen:
Singhalesen (meist Buddhisten)1,500,000
Tamils (Malabaren, meist Hindu)820,000
Indoaraber (Moormen, meist Mohamedaner)150,000
Mischlinge verschiedener Rasse10,000
Asiaten und Afrikaner verschiedener Rassen (Malayen, Chinesen, Kaffern, Neger)8,000
Burgers (Purtugiesen und Holländer, Halbblut)6,000
Europäer (meist Engländer)4,000
Weddahs (Ur-Einwohner)2,000
Summa2,500,000
Da der Flächenraum der Insel 1250 geogr. Quadratmeilen beträgt und sie mithin kaum 1/6 kleiner als Irland ist, so könnte sie bei ihren außerordentlich günstigen klimatischen und Bodenverhältnissen leicht das secht- oder achtfache dieser Bevölkerung tragen; den älteren Chroniken zufolge scheint dieselbe schon vor 2000 Jahren beträchtlich größer gewesen zu sein - vielleicht mehr als das Doppelte! Die entvölkerte und größtentheils verödete nördliche Hälfte der Insel war damals dicht bewohlt; wo jetzt ungeheure Djungledickichte den Affen und Bären, Papageien und Tauben als Wohnsitz dienen, blühten damals ausgedehnte Culturfelder, durch bewunderungswürdige Bewässerungssysteme begünstigt. Die verfallenen Reste der letzteren, wie die großartigen Ruinen der verschwundenen Städte (Anaradjahpura, Sigiri, Pollanarrua u. s. w.) legen von diesem früheren Glanze noch heute Zeugniß ab. Sie zeigen, was aus diesem „Juweleneiland", dieser „edelsten Perle im Diademe Indiens", dieser „Rubineninsel", in Zukunft wieder werden kann! Wie die verschiedenen Classen der bunt gemischten Bevölkerung von Ceylon nach Ursprung und Rasse, Körperbau und Farbe, Sprache und Schrift, Charakter und Beschäftigung sich wesentlich unterscheiden, so auch entsprechend nach Glauben und Religion; und zwar fällt die Culturform großentheils mit dem Rassentypus zusammen. Die Singhalesen (60 Procent) sind zum größten Theil Buddhisten, die Tamils hingegen (33 Procent) meistens Brahmanen (Hindu); die Indoaraber endlich (6 Procent) überwiegend Mohammedaner; doch ist jetzt ein großer Theil dieser drei Hauptclassen der Bevölkerung zum Christenthum bekehrt, dem auch das übrigbleibende Procent größtentheils zugethan ist. In runder Zahl dürften sich die Confessionen jetzt folgendermaßen vertheilen:
Buddhisten (meist Singhalesen)1,600,000
Brahmanen (Hindu, meist Tamils)500,000
Mohammedaner (Sunniten, meist Araber)160,000
Katholiken (viele Tamils und Singhalesen)180,000
Protestanten (die meisten Europäer und Burger)50,000
Religionslose (verschiedener Classen)10,000 Summa2,500,000


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