Berg- und Seefahrten (1923)

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schon seit langer Zeit dem verwaschenen Umrisse des Fußtapfens mit einer leistenförmigen Gipseinfassung nachgeholfen, die an einem Ende durch vier einspringende Kämme die Spalten zwischen den fünf Zehen angeben soll. Leider ist jedoch diese künstliche Nachhilfe so mangelhaft, daß man daraus nur aus eine recht plumpe Form des Fußes schließen kann. Um unsere kritischen Bedenken etwas zu beschwichtigen, machte einer der Priester darauf aufmerksan, daß der Abdruck ursprünglich vollkommen scharf und erst durch die Berührungen der zahllosen Pilger mit Lippen und Häanden verwischt worden sei; und darin kann der fromme Mann wohl Recht haben, wenn man sich erinnert, wie die Erzfüße des Apostels Petrus in der Peterskirche zu Rom durch das gleiche Verfahren gelitten haben.

Rings um den heiligen Fußtapfen war der rötliche Gneisfels mit den duftigen Blumen bestreut, welche die Singhalesen gewöhnlich als Opfer vor ihren Buddhatempel zu bringen pflegen: die großen, weißen und gelben, aromatischen Blüten des Tempelbaums (Plumiera) und des Jasmin, die roten Rosen der Melastomen und des Rhododendron. Diese und andere Opferblumen sowie Betelblätter, Arekanüsse und Reishaufen lagen auch in kleinen Felsennischen außerhalb des Tempelchens sowie auf der grünen Balustrade, welche dessen unteren Teil umgibt. Aus der letzteren erheben sich zwölf kleine, grüne Säulen, welches das vorspringende Ziegeldach des Tempelchens mit zwei goldenen Knäufen tragen. An den vier Ecken ist dasselbe, gleich einem verankerten Luftballon, an vier starken, in dem Felsboden befestigten Eisenketten angelegt, damit es nicht von den heftigen, oft über die Pikspitze hinfegenden Windstößen fortgetragen wird.

Während der sechs Stunden, die wir auf dem Gipfel des Adams-Pik zubrachten, sahen wir mehrere Pilgerscharen daselbs ihre Andacht verrichten; abwechselnd buddhistische Singhalesen und brahmanische Tamilen. Auch ein paar arabische Mohammedaner kamen dazwischen herauf und beteten mit derselben Andacht den Sripada als Fußabdruck des Urvaters Adam an, mit welcher unmittelbar vorher die schwarzen Malabaren denselben als Reliquie des Siva, und die braunen Singhalesen als Andenken an Buddha verehrt hatten. Die gegenseitige friedliche Duldung, welche diese drei ganz verschiedenen Religionen hier oben gegeneinander seit mehr als 1000 Jahren üben, ist in der Tat erhebend; sie ist in vieler Beziehung beschämend, namentlich für die verschiedenen christlichen Sekten, die sich mit größter Intoleranz befehden. Man denke nur an die blutigen Kämpfe der griechischen und römischen Christen am heiligen Grabe in Jerusalem; oder an die widerwärtigen Beweise von gehässiger Unduldsamkeit, die wir selbst gegenwärtig noch jedes Jahr in unserm Vaterlande erleben müssen.

Die Andachtsübungen der Pilger selbst waren meist einfach und bescheiden: tiefe Verbeugungen und Gebete vor dem Sripada, Streuen von Blumen und Räuchern mit aromatischen Gewürzen, Anbrennen von


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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