Berg- und Seefahrten (1923)

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form mehrere Ambalams oder Pilgerherbergen. Wir hatten schon weiter unten mehrere derselben passiert. Diese Gruppe aber war weit ansehnlicher und bildete die letzte Hauptstation auf dieser Nordseite des Pikkegels. Viele Pilger sind schon hier von den Beschwerden des steilen und steinigen Weges so ermüdet, daß sie daselbst übernachten, obgleich man von hier bis zum Gipfel kaum mehr als eine starke Stunde zu klettern hat, freilich sehr mühselig. Andere Pilger rasten hier nur ein paar Stunden und erquicken sich an den feilgebotenen Früchten oder an Curry und Reis, welchen sie sich selbst am offenen Feuer bereiten. Ein großes solches Feuer flackerte gerade am oberen Felsrande unter einem Zelte von hohen Bäumen; eine Schar von braunen Singhalesen war malerisch rings um dasselbe gelagert.

Nach kurzer Rast bei diesem Ambalam und erquickt durch den Genuß einiger saftiger Bananen, brachen wir auf, um die letzte und steilste Strecke unserer Pilgerfahrt zu vollenden. Es beginnt nun jener berüchtigte und gefürchtete Teil der höchsten Pik-Pyramide, an welchem auf lange Strecken Treppenstufen in den nackten, jähen, oft senkrecht aufsteigenden Felsenabhängen angebracht sind, und zur Seite derselben mächtige eiserne Ketten, an denen man sich beim Aufwärtsklimmen festhalten muß. Manche von diesen Riesenketten, von frommen Pilgern gestiftet, sind wohl über 1000 Jahre alt; die verwitterten und verrostenden Ringe werden aber stets durch neue ersetzt. Starke eiserne Pflöcke, in den nackten Gneisfelsen tief eingetrieben, halten von Strecke zu Strecke die klirrenden Ketten fest.

Für Bergwanderer, die zum Schwindel geneigt sind, ist dieser Kettenpfad freilich kein passender Weg, und wir mußten um so mehr die Klatterkünste der schwarzen Tamilfrauen bewundern, die, mit Säuglingen und Kindern beladen, oft dazu noch einen Korb mit Lebensmitteln auf dem Kopfe, hier frei hinauf und hinab balancierten, mit den beweglichen Zehen der nackten Füße sich gleich Vierhändern anhaltend. Aber wenn diese diese Himmelsleiter auch sehr beschwerlich ist und höchst gefährlich aussieht, so ist sie das doch nur an wenigen Stellen. Denn wenn man, wie es oft geschieht, auf den schlüpfrigen Steinstufen ausgleitet oder wenn die trügerische Kette den Händen entschlüpft, so stürzt man nicht in eine jähe Tiefe, um unten zerschmettert liegen zu bleiben, sondern man fällt in ein weiches, grünes Bette, in dem höchstens einzeln hervorragende Baumäste uns einige unsanfte Rippenstöße erteilen. So undurchdringlich ist auch hier die zauberhafte Fülle der wuchernden Tropenvegetation, und so dicht werden die Laubmassen durch schlingende Lianen verwebt, daß aus der jähen Tiefe vielfach die wogenden Blätterkissen der hohen Baumkronen bis zum Fuße des Wanderers heranreichen und bei einem unvorsichtigen Fehltritte den Fallenden in ihren weichen Armen auffangen.

Endlich war auch diese letzte Prüfung glücklich überstanden. Nachdem wir die oberste Kettentreppe erklommen hatten, erblickten wir unmittel


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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