Berg- und Seefahrten (1923)

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blöcke ihres Granitbettes; bald bleiben sie vor einer Quermauer, die das letztere riegelartig durchsetzt, stehen und sammeln ihre klaren Wassermassen zu einem kleinen Teich oder Seebecken an, in dem der Himmel das Spiel seiner ziehenden Wolken abspiegelt. Allenthalben aber sind diese herrlichen Gewässer von einem üppigen, grünen Rahmen eingefaßt, dessen Reize weder Feder, noch Pinsel vollkommen wiederzugeben vermögen.

Wohl die höchste Zierde dieser wasserreichen, kühlen Bergbachketten sind die prächtigen Baumfarne, eine der edelsten Vegetationsformen, von deren Schönheit uns die verkrüppelten Exemplare in unseren Treibhäusern kaum eine annähernde Vorstellung geben können. Sie ersetzen im Hochlande den Schmuck der Palmen, der fast ausschließlich auf das heiße Tiefland beschränkt ist. Aus einiger Entfernung sind beide zum Verwechseln ähnlich. In beiden trägt der schlanke, ungeteilte, hoch aufstrebende Stamm eine einfache Krone von riesengroßen Fiederblättern; diese Wedel sind aber bei den Farmbäumen viel zarter und feiner, viel tiefer eingeschnitten und viel mehr fiederig zusammengesetzt, als bei den derberen und robisteren Palmen. Neben diesen Farmbäumen (Alsophila) sind es aber auch niedere, stammlose Farnkräuter (Angiopteris), die durch die kolossale Größe ihrer 15-20 Fuß langen Wedel an den Ufern dieser Bergbäche unser höchstes Erstaunen hervorrufen.

Ein anderer Schmuck derselben besteht in den reizenden Lianen, in den mannigfaltigen Schling- und Kletterpflanzen, die in üppigster Fülle Stamm, Äste und Zweige der Bäume bedecken. Bald hängen sie gleich den zierlichsten Ampeln von den Kronen senkrecht herab, bald schlingen sie sich rings von Zweig zu Zweig wie bei einem schöngeputzten Weihnachtsbaum; bald umhüllen sie die mächtigen alten Baumstämme mit einem dichten grünen Mantel; und bisweilen erscheint dieser letzere mit prachtvollen Blumen wie mit leuchtenden Edelsteinen verbrämt. Besonders sind es unter diesen Lianen die Orchideen, Ingwer, Gewürzlilien unddie kletternden Pandangs (Freycinetia), die durch die Farbenpracht und seltsame Form ihrer großen Blütenähren unser Entzücken erregen.

Bald sollten wir aber den Nutzen dieser Lianengeflechte im Urwalde noch näher kennen lernen. Dann nachdem wir oberhalb des Wasserfalls auf einem Baumstamme über den tosenden Bach glücklich hinüber balanciert waren, führte uns unser schmaler und beschwerlicher Pilgerpfad in ein Dickicht hinein, dessen Baum- und Strauchmassen durch erstaunliche Lianengeflechte zu einer geradezu undurchdringlichen Mauer verwebt waren. Keinen Schritt konnten wir seitlich von dem glatt getretenen Wege abweichen, der nur durch Tausende von Pilgern gangbar erhalten wird. Über eine Stunde stiegen wir so in einem grünen Tunnel empor, dessen mächtiges Schattendach keinen Sonnenstrahl durchdringen ließ und uns durch seine kühle Dämmerung die heiße Mühe des jähen Kletterns wesentlich erleichterte. Aber nicht allein dieses kostbare Schattendach


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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