Berg- und Seefahrten (1923)

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setzen. Die prachtvollen, seltsamen Blüten von schmarotzenden Orchideen und Gewürzlilien zieren ihre Stämme. Kletternder Pandanus, Freycinetia, Purtada und andere Schmarotzerbäume winden sich an den hohen Stämmen kühn empor, schwingen sich in stolzen Bogen von einem Baum zum andern und bilden die Turngerüste für die munteren Scharen der Affen und Eichhörnchen, die hier ihre bewunderungswürdigen gymnastischen Künste zeigen. Prächtige, metallglänzende, goldiggrüne Waldtauben, Papageien und Bienenfresser fliegen scharenweise hoch oben zwischen den Kronen hin, während unten am rauschenden Waldbache große, blaugrüne Eisvögel mit der Fischjagd beschäftigt sind. Zwischen den braunen Luftwurzeln der Schmarotzerpflanzen hängen auch zahlreiche grüne von den Baumästen herab. Sobald wir diese letzteren aber erfassen wollen, entschlüpfen sie uns zwischen den Händen; denn es sind zierliche Baumschlangen, die sich mit ihrem dünnen Peitschenschwanze an einem Baumast aufgehängt haben. Auch die niedlichen kleinen Laubfrösche, die sich in den weißen Blumenkelchen der großen Lilien verstecken und da ihre glockenähnlich Silberstimme ertönen lassen, sind schön grün bemalt, und so tragen auch noch viele andere Tiere des Waldes auf der immergrünen Wunderinsel deren herrschende Charakterfarbe, entsprechend Darwins Gesetze der gleichfarbigen Zuchtwahl.

Wie gerne würden wir in dem kühlen Schatten dieser erhabenen Urwälder länger weilen und an den rauschenden Wasserfällen ihrer Bäche die zierlichen Farne und Selaginellen oder die seltsam gestalteten Balsaminen und Begonien sammeln, die deren Ufer schmücken; oder zwischen den pfeilförmigen Riesenblättern der Araceen die großen Nachtfalter und bunten Spinnen jagen; oder zwischen dem wirren Wurzelgeflecht der umgestürzten Baumriesen die goldglänzenden Prachtkäfer (Buprestis), zwischen ihrem abgefallenen Lauf die wunderbaren ast- und blattgleichen Heuschrecken suchen, die stabförmigen Gespenstschrecken (Phasma) und die wandelnden Blätter (Phyllium). Aber leider drängt unsere Zeit; und leider lassen uns auch hier wieder die zahllosen kleinen Landblutegel nicht zu vollem Genusse gelangen.

Während dieser stolze Hochwald auf den steilen südlichen und westlichen Gehängen des Adams-Pik noch jetzt einen zusammenhängenden immergrünen Mantel bildet und an 4-5000 Fuß emporsteigt, ist er dadagen an der nördlichen und östlichen Seite jetzt größtenteils den vordringenden Kaffeepflanzungen zum Opfer gefallen. Er besteht hier nur noch in den steilen, unzugänglichen Felsenschluchten siegreich den Vernichtungskampf, mit dem ihn Axt und Feuer des feindlichen Pflanzers bedroht. Höher hinauf hingegen, oberhalb 5000 Fuß, ist auch jetzt noch der grüne Waldmantel des Pilgerberges unversehrt, und gerade die charakteristische Gipfelpyramide, welche sich gegen 2000 Fuß hoch weit über alle Nachbarn erhebt und über Land und Meer hinweg für den nahenden Schiffer das untrügliche Wahrzeichen der Insel bildet, gerade


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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