Berg- und Seefahrten (1923)

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mit großem Geschick bedient, fühlt sich durch seinen hohen Beruf sehr geschmeichelt. Im ganzen erscheinen die Bewohner Lanzarotes, von denen wir jetzt mehrere genauer kennen gelernt haben, wie große Kinder, mit allen Tugenden und Lastern der europäischen Knaben von 10-12 Jahren. Ernst Beschäftigung und strenge Arbeit ist ihnen ganz unbekannt; fast den ganzen Tag wird auf der Straße oder in der Haustür, die zugleich Fenster ist, umhergelungert, geplaudert oder gespielt; das Hasardspiel lieben sie leidenschaftlich. Die Frauen bleiben fast immer in die Häuser eingesperrt; nur Sonntags nachmittags dürfen sie ausgehen. Der Verkehr mit den anderen Inseln und mit Europa ist sehr schwach, da regelmäßige Dampfschiffverbindung gar nicht existiert. In dem trefflichen Hafen (Puerto Naos) liegen auch immer nur wenige und kleine, fast ausschließlich spanische Schiffe. In den zwei Monaten, welche wir jetzt hier sind, haben nur zwei englische Dampfer (die die afrikanische Küste besuchen) Lanzarote berührt. Ganz unglaublich ist der niedere Bildungsgrad selbst der vornehmeren und gebildeteteren Bewohner von Arrecife, welche von Europa und besonders von Deutschland die seltsamsten Vorstellungen haben. Sehr viele Insulaner haben niemals ihre Insel verlassen und kennen selbst die nächste Insel, Fuerteventura, nicht, obwohl sie nur durch einen schmalen Kanal von Lanzarote getrennt ist. Sitten und Gebräuche sind meist spanisch, jedoch mit viel maurischen und berberischen gemischt, wie denn die Nähe der afrikanischen Küste sich auch in den Negerphysiognomien vieler hiesiger Mulatten ausspricht. Doch gibt es echte Neger hier nur in geringer Anzahl.

Arrecife auf Lanzarote, 10. Februar 67.

Unser Winteraufenthalt in Arrecife geht seinem Ende rascher entgegen, als wir zuerst beabsichtigt hatten, und wir haben gestern den Beschluß gefaßt, Ende dieses Monats unsere wüste Insel zu verlassen. Meine drei Reisegefährten sind der vielen Unbequemlichkeiten des hiesigen Aufenthalts und besonders der unendlichen Menge von Flöhen und anderem Ungeziefer so satt, daß sie schon verschiedene Male rebellisch geworden sind. Ich selbst hätte gerne noch bis zu der ursprünglich festgesetzten Abreise (Ende März) hier ausgehalten, um meine angefangenen Arbeiten noch weiter zu führen. Indessen haben mich die letzten Wochen, welche der pelagischen Fischerei sehr ungünstig waren, ebenfalls umgestimmt, sodaß ich in den lebhaften Wunsch meiner Reisegefährten, mit dem nächsten englischen Steamer fortzugehen, eingewilligt habe. Seit Mitte Januar hat sich hier der kanarische Winter eingestellt, zwar nicht mit Schnee und Eis und selbst nur mit sehr wenig Regen, aber dafür mit desto mehr Sturm, also in der für uns nachteiligsten Form. So haben wir denn leider in den letzten Wochen nur sehr dürftiges Material gehabt; an vielen Tagen konnten wir selbst gar nicht mit dem Boote herausfahren.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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