Berg- und Seefahrten (1923)

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Kolonie durch das Wasser ziehen. An dem langen, nachfolgenden Stamm sitzen zahlreiche blattähnliche Schutzindividuen, unter deren Mantel sich die fressenden und die tastenden Individuen verbergen können. Endlich sitzen in zierlichen Gruppen am Stamm zerstreut die Fortpflanzungsindividuen, welche sich bloß mit der Produktion von Eiern beschäftigen.

In der Regel liefert uns die pelagische Fischerei mit dem feinen Netze so viel Ausbeute, daß wir keine Zeit mehr finden, die Fauna der Küste genau zu untersuchen, obwohl auch diese sehr reich ist. Unmittelbar vor der Stadt Arrecife liegen nebeneinander drei geschlossene Wasserbecken, durch Lavaströme voneinander und von der hohen See geschieden, in welche nur bei Flutzeit Schiffe durch ein enges Einfahrtstor (Portillo) eingehen können. Nur eines von diesen drei Becken, Puerto Naos, zugleich der beste Hafen der Kanarischen Inseln, ist tief, die beiden anderen sehr flach. Hier wachsen nun prachtvolle bunte Schwämme, Korallen, Seescheiden, Seerosen (Aktinien) usw. in solcher Fülle durcheinander, daß man mit ihrer Untersuchung allein mehrere Jahre zubringen könnte und gewiß eine Reiche und lohnende Ausbeute haben würde. Dagegen ist der Fischmarkt im ganzen arm.

Mit dem großen eisernen Schleppnetz haben wir erst ein paarmal draußen auf dem tiefen Grunde des offenen Meeres gefischt, jedoch nicht besonders viel dabei gefunden. Auch ein paar nächtliche Ausfahrten bei schönem Mondschein waren ohne besonderen Erfolg. Dagegen haben wir an einigen sehr stillen Tagen mehrmals sogenannte Correntes (hier von den Fischern Zain genannt) angetroffen, ganz glatte, stromähnliche Bänder an der Meeresoberfläche, in denen die glasartig durchsichtig pelagischen Tiere in solchen ungeheuren Massen angesammelt sind, daß das ganze Meer daselbst einer lebendigen Tiersuppe gleicht und daß beim Schöpfen mit den Glasgefäßen mehr Tiervolum als Wasservolum in die letzteren eintritt. Als die Hauptbestandteile solcher Correntes zeigten sich hier prächtige große Rippenquallen oder Kammquallen (Eurhamphaea, Cestum), ferner Salpa democratica-mucronata, zahllose, höchst seltsam geformte Krebse und viele kleine Medusen.

Eine wesentliche Differenz in der Beschaffenheit des Wassers wird hier durch die im Mittelmeer fehlenden Ebbe und Flut erzeugt, welche hier in Arrecife sehr beträchtlich ist und bei Vollmond (Springflut und Springebbe) ganze Strecken des Seebodens trockenlegt. Da finden sich dann in großen Mengen schöne Echinodermen (Seeigel, Seesterne, Seewalzen, Seelilien), ferner prachtvoll gefärbte Schwämme, Nacktschnecken und Würmer und ein großer Reichtum an seltsamen, wahrscheinlich größtenteils noch nicht bekannten Seepflanzen (Caulerpen, Vallonien usw.)

So günstig übrigens auch das Meer hier durch seinen Reichtum an pelagischen Tieren für unsere Untersuchung ist, so würden wir doch diesen Reichtum weit besser ausbeuten können, wenn die See ruhiger wäre. Im ganzen ist sie sehr bewegt, da der fast beständig wehende Nordost


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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