Berg- und Seefahrten (1923)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

I.

Alpen im Frühling

(1857)

Den Himmelsfahrtstag hatte ich von jeher zu einer botanischen Frühlingsexkursion benutzt, und da dieselbe durch die Gunst des Wetters und den Reiz des jungen Frühlings fast immer sehr befriedigend ausgefallen war, dieser Tag mithin in sehr gutem Andenken in meinem Naturkalender aufgeschrieben steht, so beschloß ich, ihn auch im Jahre 1857 in Wien nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen und hatte zu diesem Zweck auch bald ein halb Dutzend wanderlustiger Genossen aus dem bunten Kreise meiner Bekannten zusammengebracht. Die Gesellschaft bestand aus einem Schotten (Cowan), einem Dänen (Krabbe), einem Petersburger (Baskgen), einem Kurländer (Böttcher), einem Bremenser (Focke), einem Berliner (Chamisso) und aus meiner Person. Wir letzteren drei bildeten, samt einem achten Halbnaturforscher, Mack (aus Braunschweig), frühern Senior der Nassauer in würzburg, das botanische Komitee, während die anderen vier mehr rein bummellustig waren.

Donnerstag, 21. Mai, früh 7 Uhr fuhr diese nordische Allianz, deren Wohnungen, wie die der meisten Mediziner, alle in der Alservorstadt lagen, von dem Zentrum der letzteren, dem k. k. allgemeinen Krankenhause, in einem Omnibus nach dem beinah 3/4 Stunde entfernten Südbahnhof ab. Schon diese Fahrt durch die staubigen (meist nicht gepflasterten) Straßen in der Frühe eines schönen Feier- oder Sonntages ist recht interessant, da man wohl die halbe Stadt auf den Beinen und nach den Bahnhöfen eilen sieht, um in ihrer Art "Natur zu kneipen", d. h. nach irgendeinem nahen Stationsorte zu fahren und dort im Grünen, ohne gerade die Bewegungswerkzeuge sehr anzustrengen, Wein und Bier zu genießen. Demgemäß ist an diesen Tagen die Zahl der Extrazüge nach den besuchtesten Orten, wie nach Baden, fast um das 3-4fache vermehrt, und Hunderttausende von Menschen werden ununterbrochen hin- und hergeschafft, so daß manjede Stunde abfahren kann.

Schon das bunte Treiben dieser geputzten und genußsüchtigen Menschenmenge machte uns diese Fahrt sehr interessant, noch mehr aber der reizende Anblick des Wiener Waldes, der sich mit seinen vielen


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Bibliothek.
© Kurt Stueber, 2007. Dieses Buch ist geschützt durch die GNU Free Document License. Diese Lizenz erlaubt private und kommerzielle Verwendungen unter den Bedingungen der GNU Free Dokument License. Bei Verwendung von Teilen/Abbildungen bitten wir um die Quellenangabe: www.BioLib.de