"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

55. Brief

Jena, den 18. März 1871.




Mein liebster, teuerster Mann! Eben habe ich Deinen Brief aus Triest bekommen und bin so froh, so sehr froh, so bald wieder Nachricht von Dir erhalten zu haben, denn ich kann Dir zusichern, mein Schatz, Dein Brief neulich hatte mich sehr unglücklich gemacht, heute hast Du mir doch wieder viel lieber geschrieben und es ist mir wieder leichter ums Herz, ich dachte, Du wärst ganz böse mit mir. Hatte ich denn gar zu unartig geschrieben, ich habe es wirklich nicht so gemeint, mein Ernst, Du hast Dir meine Worte zu schlimm ausgelegt. Die ganzen vergangenen Nächte, wenn ich aufwachte, habe ich über Deinen Brief geweint und mich so nach Dir gesehnt, so sehr! Es kam mir vor, als ob ich Dir gar nichts mehr wäre und Dir in keiner Weise das frühere Glück ersetzen könnte. Solche Gedanken können dann nur durch Deine liebe Gegenwart vertrieben werden, und die habe ich leider noch für Wochen nicht!

Daß Du in Triest keine Kalkschwämme nach Deinem Wunsch gefunden hast, ist mir schrecklich leid, und ich sorge mich nun doppelt um Dich auf der Insel Lesina. Froh bin ich, daß die kleinen Hertwigs mit sind, aber am liebsten wäre ich selbst mir Dir gereist. Wie schön hatte das sein können! Ob Du mich wohl gern mitgenommen hättest? - So muß ich aber daheim bleiben und meine lieben kleinen Bälger hüten. Die kleine Lisbeth befindet sich wieder wohl, ist ein feines, liebes, süßes Ding, aber ein sehr reizbares Kind. Wo sie das wohl her hat?? Die Lebendigkeit ihrer Augen erinnert mich oft an die Deinen, Aber mühsam, sehr mühsam> ist das Aufziehen des Kindes . : . Walter geht es gut, er ist ein frischer, lieber, süßer Bengel und das Vergnügen aller Menschen. Etwas strengere Zucht verdient er aber. Wenn der Papa kommt, wird er knapper gehalten werden, was sehr vorteilhaft sein wird, ich habe wirklich noch keine Kräfte für den forschen Bengel.

Nun muß ich schon wieder Lebewohl sagen, mein Herzens-Ernst. Die Zeit ist mir am liebsten, wo ich an Dich schreibe, und doch, wie wenig kann man schriftlich sagen! Ich sehne mich unendlich nach Dir, aber mir würde es nie einfallen, Dich von Deiner wissenschaftlichen Arbeit abhalten zu wollen, ich weiß, daß Dir die das erste ist und wohl auch sein muß. In alter Liebe Deine Agnes. Von Wichtigkeit ist nichts angekommen. Grüße die Goldjungen!





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999