"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

19. Brief

9. Sept. 1867.




[Abschiedsbrief auf einer gefährlichen Bergtour] Liebste, beste Frau! Da ich nicht weiß, ob ich lebendig wieder von der Tristenspitze hinunter komme, sage ich hiermit Dir, liebstes, bestes Herz, meinen guten Eltern, meinem Bruder und Gegenbaur sowie Deinen Lieben ein letztes Lebewohl. Wir haben uns beim Absteigen so verstiegen, daß ich keine Ausweg mehr sehe, der Führer ist eben vorn, um noch einen möglichen Ausweg zu suchen, es ist aber wenig Hoffnung, einen zu finden. Zurück können wir nicht mehr. Ich bin so ermattet, daß ich kaum noch sitzen kann. Wenn mein Körper gefunden wird, laß ihn in Dornauberg verbrennen und bestatte die Asche im Grabe meiner Anna. Meine wissenschaftlichen Sammlungen und Instrumente schenke ich der Universität Jena. Meinen Zeichnungen und meine Bibliothek sollen meine Freune Gegenbaur und Allmers, meinen Bruder, die Alten und Dich verteilt werden. Über alles Übrige verfüge nach Belieben. Teile Dich darein mit meinen Eltern und Geschwistern. Wenn ich nicht so matt wäre, daß ich kaum noch an der Felslehne hängen kann, würde ich noch mehr schreiben. So aber kann ich nicht mehr. Ade, Ade, liebste, beste Frau, bewahre ein treues Andenken Deinem armen Ernst.

Am Südabhang der Tristenspitze, 9. September 1867, 12 Uhr mittags.





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999