Dr. E. Bolleter:
Bilder und Studien
von einer Reise nach den Kanarischen Inseln (1910)

Kapitel 4: Geschichte der Pflanzenwelt auf Tenerife

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Es wäre von höchstem Interesse, eine Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt von Tenerife zu schreiben, die allerdings im wesentlichen diejenige der kanarischen Flora überhaupt wäre. Die Schwierigkeiten sind indessen groß. Da sedimentäre Schichten auf den Inseln fast vollständig fehlen, so ist es auch ausgeschlossen, daß fossile Pflanzen uns Aufschlüsse über die frühere Flora zu schaffen vermöchten. Nur das Studium des benachbarten Festlands vermag Anhaltspunkte zu bieten. Leider kennen wir aber die fossile Pflanzenwelt von Marokko noch sehr wenig. So sind wir auf Vergleiche mit der tertiären Vegetation von Südeuropa angewiesen, die zweifelsohne mit derjenigen Nordafrikas nächst verwandt war.

Die Vegetation der Südatlantis fand mit dem Zusammenbruch dieses Kontinents ihren Untergang. Nur auf den Inseln, die als Reste zurückgeblieben waren, blieb si, teilweise wenigstens, erhalten; ebenso in den angrenzenden Gebieten des südamerikanischen und afrikanischen Erdteils. Die mächtigen Transgressionen im Oligozän machten auch dieser Inselflora wie der Landfauna ein Ende. Nur in den kontinentalen Küstengebieten bestanden zweifelos mehr oder weniger zahlreiche Atlantispflanzen fort. Im Miozän nahm das Land an Ausdehnung wieder gewaltig zu; die Küste von Afrika erstreckte sich viel weiter west- und nordwärts als heute; wenigstens ein Teil der Kanaren mag damals dem Kontinente angehört haben. Die erste Besiedlung des dem Meere entstiegenen kontinentalen Küstengebiets geschah durch die afrikanische Flora, welche Schritt für Schritt vom dem neuen Terrain Besitz ergriff. Mit der Zeit war es auch der Mittelmeerflora möglich, sich nach Süden auszudehnen. Dies mag um so leichter geschehen sein, als sich das Klima von Europa schon mit dem Eozän langsam verschlechterte. Da auch in Nordafrika eine Temperaturabnahme stattfand, so näherte sich das marokkanisch-kanarische Klima dem miozän-europäischen, und bildete so jene Gegend das beste Ersatzgebiet für die aus Europa zurückweichenden Pflanzen. Der südeuropäische Wald bot ein buntes Gemisch aus meist immergrünen Pflanzen, teils beerenfrüchtigen, teils solchen, deren Samen oder Früchte durch den Wind verbreitet werden. Da in Südeuropa die westlichen Winde vorherrschen, so konnten sich die zuletzt genannten Typen nur ausnahmsweise oder gar nicht nach Süden ausbreiten; viel eher fleischfrüchtige Pflanzen, deren Samen durch Zugvögel auf ihren Nord-Südwanderungen leicht vertragen werden konnten [Der östliche Teil von Spanien bildet heute noch eine Straße des Vogelzugs nach Afrika hinüber.

Manche Botaniker (s. Schröter, Nach den Kanarischen Inseln, Zürich 1908, Anmerkung 6) leugnen die Existenz einer einstigen Landverbindung Afrikas mit den Kanaren. Als Beweis führen sie die Tatsache an, daß die meisten Bäume des kanarischen Lorbeerwaldes fleischige Fürchte besitzen, also durch Vögel über das Meer verbreitet werden konnten, während andere klimatisch mögliche, tertiäre Formen (z. B. die Eichen) fehlen. Dem muß aber gegenüber gehalten werden, daß die Verbreitung durch Zugvögel jedenfalls nur eine ganz spontane sein kann, was bedeutende Vogelkenner wie Graf (Zürich) bestätigen. Es wäre erstaunlich, daß sozusagen alle fleischfrüchtigen Tertiärpflanzen über das Wasser auf die Inseln gebracht worden wären. Auch liegen die Kanaren außerhalb der Zugstraße der meisten Vogelarten.

Man schreibt die Einführung der lorbeerartigen Pflanzen den Tauben zu. Tenerife besitzt deren zwei, die beide in ihrem Vorkommen auf den Lorbeerwald angewiesen und endemisch sind: Columba laurivora und C. Bollei. Leider kennen wir die Lebensweise der beiden Vögel noch viel zu wenig; so wissen wir nicht - was für uns hier von großer Bedeutung wäre - ob sie beim Verzehren der Beeren das Fleisch oder die Samen bevorzugen. Da beide Tauben nach König von der Hohltaube abstammen, deren Nahrung wesentlich aus Sämereien besteht, so dürfen wir vielleicht das letztere annehmen. ES wäre möglich, daß beide Tauben sich im Laufe der Zeit erst an ihre jetzige ausschließliche Beerennahrung angepaßt haben. Auf alle Fälle beweist das Vorkommen der Tauben im Lorbeerwald nichts für die Herkunft der Pflanzen ohne Landbrücke.

Columba laurivora bewohnt die Inseln Gomera und Palma; C. Bollei ist für Tenerife endemisch. Beide Arten sind wegen ihrer geringen Vermehrungsfähigkeit sehr selten; das Gelege besteht aus einem einzigen Ei.

Nach König weist die Avifauna der Kanaren 123 auf. Wenn wir in Betracht ziehen, daß die Stammformen der endemischen Spezies (Tenerife besitzt deren 12) mit einer einzigen Ausnahme europäischen Ursprungs sind, so dürfen wir sagen, daß nur 6 Arten sich nicht in Europa finden. Ihre Heimat ist Nordafrika; 2 Spezies sind amerikanisch. 44 Arten sind Brut- und Standvögel, die übrigen 79 größtenteils durchziehende Vögel oder Irrgäste. 4 derselben sind ausgesprochene Wintergäste (unter ihnen Star und Singdrossel), 43 Schwimm- und Sumpfvögel, 32 Landvögel. Die letztern 75 Arten treten mit ganz wenigen Ausnahmen während der Zugszeiten nur vereinzelt auf, so daß von einer eigentlichen Zugserscheinung heute nicht gesprochen werden kann. Für ein Verschleppen europäischer Pflanzen nach den Kanaren könnten fast ausschließlich die Amsel und die Singdrossel als Beerenfresser in Betracht kommen.

Die Kanaren sind reich an mediterranen Insekten. Ihre Einwanderung könnte eventuell druch gelegentliche starke Nordost- oder Ostwinde vermittelt worden sein. Doch ist nur von den letzteren bekennt, daß sie wirklich Insekten herübergeweht haben. Der "Levante" ist ein warmer Wind, der seinen Ursprung in der Sahara hat, sich alljährlich mehreremal einstellt und infolge seiner Heftigkeit öfters große Verheerungen anrichtet, besonders auf den östlichen Inseln. Er führt nicht selten große Schwärme von Heuschrecken mit. "Diese fliegen aber nicht, sondern wie weden durch die Gewalt des Windes ins Meer gestürzt, wo sie sich aneinander hängen und in Kliumpen von ungeheurem Umfange druch Wind und Wolken an die Küste getrieben werden. Während der Überfahrt ersäuft der größte Teil derjenigen, die sich unter Wasser befinden; aber die übrigen fliegen, sobald sie sich aufgeruht haben und ihre Flügel getrocknet sind, augenblicklich nach Nahrung aus, und wehe den Feldern, über welche diese ausgehungerten Scharen herfallen" (Mac Gregory, Die Kanar. Inseln. 1831.) Wir haben also an diesem berühmten Beispiele für die verbreitende Tätigkeit der afrikanischen Winde eigentlich weniger die Wirkung der Winde allein, als diejenige des Wassers.

Das Vorkommen zahlreicher kontinentaler und mittelmeerischer Landmollusken kann nicht anders als durch das Bestehen der Landbrücke erklärt werden, ebenso dasjenige von Erdmollusken, Erdkrustern und terrikoler Oligochaeten. Forel benötigt die Landverbindung für die Ameisenfauna der Kanaren.

Schröter macht übrigens aus einen weiteren Umstand aufmerksam. Er sagt a.a. O.: "Wenn zu allen Zeiten die Besiedelungsmöglichkeiten dieselben gewesen wären, wäre nicht einzusehen, warum die vorpliozänen und pliozänen Formen so stark dominieren. Der Wechsel der Besiedelungsmöglichkeit scheint mir also ein Hauptpostulat zu sein, was übrigens auch Christ zugibt."]

In dieser Zeit der Landverbindung und allmäglichen klimatischen Wechsels ging in Afrika ein floristisch hochbedeutsames Ereignis vor sich: die Invasion durch die indische Flora. Die Pflanzen die bis anhin das Gebiet des Kontinentes beherrscht hatten, wurden aus dem Innern vertrieben und in die Randgebiete sowie ins Gebirge zurückgedrängt, wo sie sich zu halten vermochten. So finden wir die alte Flora heute nicht nur in den Bergen von Ostafrika, Abessinien und Kamerun, sondern auch in Südafrika (Kapflora), auf den Kap Verden und Kanaren und als östliche Parallale auf der Insel Socotra. Einzelne sich rascher verbreitende Typen unter den indischen Einwanderern folgten der weichenden Flora bis an die äußerste Grenze und siedelten sich auch in den genannten Randgebieten an.

So können wir in der spätmiozänen und frühpliozänen Flora der Kanaren drei Bestandteile unterscheiden: das alt- oder südafrikanische, das mittelmeerische und das indische Element. Zu ihnen gesellte sich ein viertes, das amerikanische. Wahrscheinlich hat es schon im Miozän seinen Einzug gehalten. Die Flora der Südatlantis, die amerikanische Typen enthielt, hatte sich in einigen Formen nach dem Zusammenbruch dieses Kontinentes auf dem westafrikanischen Festland erhalten. Als die Wasser nach der großen Transgression zurückwichen, ergriffen dieselben von ihrem früheren Areal, soweit dies möglich war, also bis zu den Kanaren, wieder Besitz und hielten mit der afrikanischen Flroa ihren Einzug. In Afrika bewirkten später die veränderten klimatischen Verhältnisse das Aussterben der meisten dieser Arten, so daß heute ihr Vorkommen auf die Inseln beschränkt ist. Einzelne amerikanische Pflanzen der jetzigen Kanarenflora mögen ihre Einwanderung dem Golfstrom verdanken, einem Agens, das heute noch tätig ist; in diesem Falle ist die Zeit des erstmaligen Auftretens natürlich nicht zu bestimmen [ Schon Kolumbus fand Stämme und Samen der Antillen auf den westlichen Kanaren angeschwemmt. Auf Gran Canaria entdeckte Bolle die riesigen Samen von Entaga Gigalobium! - Meine Vermutung geht dahin, daß die meisten amerikansichen Pflanzen der kanarischen Flora schon im Miozän, zur Zeit der Landverbindung, einwanderten. (Die Verbreitung durch das Wasser könnte wie diejenige durch Vögel mehr nur eine spontane sein.) Auch Christ, der beste Kenner der Pflanzenwelt auf den Kanaren, sagt, "daß die Einwanderung eine sehr alte sein müsse". Unter die zum amerikanischen Florenelement zählenden Pflanzen gehören Woodwardia radicans, ein häufiger Farn des Lorbeerwaldes, Persea indica, ein Baum desselben, Pinus canariensis, die besonders früher sehr allgemein verbreitete kanarische Föhre, Drusa oppositifolia, eine insektenfressende Pflanze. Woodwardia, heute in Indien und Zentralamerika, existierte im Miozän Mitteleuropas, eine verwandte Art schon im Oligozän (W. minor). Persea, in gegen 100 Arten im warmen Asien und Amerikas, gehörte ebenfalls dem Miozän Europas an. Pinus canariensis findet sich im Tertiär Spaniens. Drusa opp., das heute noch in Marokko vorkommt, besitzt seine nächsten Verwandten in Südamerika. Auch Asplenium Hemionitis, ein efeublättriges Farnkraut, kommt einer Aspleniumart von Venezuela am nächsten; sie wächst außer auf den kanarischen Inseln auf dem afrikanischen Festland bei Tanger, ferner in Portugal bei Cintra. Bei all diesen Pflanzen - andere ließen sich anreihen - dürfen wir annehmen, daß sie einer weiten, über die Atlantis hinausreichenden Zone angehörten oder wenigstens noch im Westen von Nordafrika heimisch waren; von hier gelangten sie auf der Landbrücke nach den Kanaren.]

So finden wir auf den Kanaren schon zu Ende des Miozäns im wesentlichen die heutige Flora vor, zunächst noch im dichten Zusammenhang mit dem afrikanischen Festland. Im Pliozän trat eine gewaltige tektonische Änderung ein; das Land zwischen den heutigen Inseln und Marokko sank in die Tiefe, die kanarische Randzone (wie die Kap Verden) als Archipel hinterlassend. Von nun an war die Vegetation sich selbst überlassen. An eine natürliche Einwanderung von Bedeutung ist nicht mehr zu denken; nur zufällig wurden Samen oder Früchte durch Wind, Vögel oder Meeresströmungen herbeigeführt, von denen bei der Sterilität der Lavaküsten nur ein kleiner Teil zur Entwicklung gelangte. Auch ist es sehr unwahrscheinlich, daß diese Pflanzen im Vegetationsbilde maßgebend werden konnten.

Der Bestand der kanarischen Flora änderte sich demnach nach der Isolierung wenig mehr. Dafür gewannen nun die Pflanzen Zeit und Gelegenheit, sich dem Klima und den standörtlichen Verhältnissen immer mehr anzupassen, wodurch allmählich neue Formen und Arten herangebildet wurden. So entstand im Laufe der Jahrtausende eine Vegetation, welche durch ihre Eigenart wie durch ihre Zusammensetzung sich durchaus von derjenigen des nahen Kontinentes unterscheidet.

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Drachenbaum in Laguna

Bevor wir auf die Veränderungen eingehen, welche die kanarische Flora durchmachte, wollen wir eine Übersicht über die wichtigsten Typen der verschiedenen Florenelemente zu gewinnen suchen.

Der altafrikanischen Flora zugehörig sind eine ganze Anzahl der bedeutsamsten Charakterpflanzen der Kanaren. Hieher müssen wir vor allem den Drago oder Drachenbaum (Dracaena Drago) rechnen. Dieses merkwürdigste Gewächst der Inseln ist eine monokotyle Baumform. Junge Exemplare zeigen einen einzigen Stamm mit einem riesigen Blattbüschel am Ende. Nach der ersten Blüte stirbe dasselbe ab, und der Stamm teilt sich in 2-4 Äste, welche stark anschwellen und dicke, unförmliche Glieder darstellen. Da nach jeder Blüte eine neue Verästelung eintritt, so entsteht schließlich ein riesiges, schirmartiges Gebilde, dessen Dach aus Hunderten von schweren Blattbüscheln besteht. Die Rinde ist hellgrau und dünn; wenn sie durchstochen wird, quillt ein schwarzrotes Harz heraus, das früher soviel begehrte Drachenblut. Echt afrikanisch mutet uns ferner der Cardon (Euphorbia canariensis) an. Diese riesige Wolfsmilch ist ein kaktusähnliches, übermannshohes Gebilde, dessen prismatische, blattlose, kandelaberartig geteilte Stämme und Äste, an deren Kanten Warzem mit Stachelpaaren sitzen, der Pflanze ein höchst ungeheuerliches Aussehen verleihen. Euphorbia aphylla ist ein viel kleinerer, wirtelig verästelter Strauch, mit fleischigen, angeschwollenen, blattlosen Stengelgliedern. Ihr ähnlich im Habitus ist Kleinia neriifolia, aber höher und mit endständigen Blattrosetten versehen, denen im Frühsommer eine kurze, doldige, gelbe Infloreszenz entsteigt. Der Balo, Plocama pendula, ist ein mehrere Fuß hohes Bäumchen, dessen dünne grüne Zweige tief herabhängen und mit schmalpfriemenförmigen Blättern, oft auch mit kleinen weißlichen Blüten oder weißen Beeren besetzt sind. Die stengellose Aloë vulgaris zeigt ihre bekannten Rosetten aus dickfleischigen Blättern. Unter den zahlreichen Chrysanthemen ist besonders die Art Argyranthemum von Bedeutung, ein großer Strauch mit immerwährendem weißem Blütenschmuck; Pericallis, eine rötlich blühende Komposite ist die Stammform der bei uns so beliebten Cinerarien. Seltsame Sträucher sind die Arten der Gattung Bencomia, einer Rosacee; die nackten, wenig geteilten Zweige tragen am Ende gefiederte Blätter, in deren Achseln lange Blütenähren sitzen. Solanum vespertilia ist ein herrlicher Felsenstrauch mit unten weißwolligem Laub und orangegelben glänzenden Stacheln. Die schlange Baumheide oder der Breso (Erica arborea) besitzt in Afrika heute noch 400 verwandte Spezies, während einige Mesembryanthemum-Arten im Norden des Kontinents bis gegen Ägypten reichen. Endlich müssen wir noch einige Farn nennen, die afrikanischen Ursprungs sind. Dicksonia culcita ist der einzige Farn nicht nur der Kanaren, sondern überhaupt der gemäßigten Zone, welchen einen wenn auch nur niedrigen Stamm bildet. Eigenartig ist Adiantum reniforme, das eine einfache, nierenförmige Blattspreite besitzt (deshalb vom Volke yerba tostonera, Guldenkraut, genannt); Davallia canariensis mit etwas lederigem, vielzerteiltem Blatt ist der gemeinste Farn der atlantischen Inseln [ Weitere afrikanische Typen sind: Heberdoenia excelsa, Pleiomeris canariensis, Allgopappus dichotomus und viscosissimus, Convolvulus canariensis, Messerschmidia fruticosa, Salvia canariensis, Phyllis nobia, Webbia canariensis, Withania cristata etc. ]

Wir sahen, daß die indische Flora, welche die afrikanische verdrängte, einige Vertreter bis nach den Kanaren sandte. Hierher gehört die sehr verbreitete Bosia yerva mora, der Hediondo, eine hohe schlingende Amarantacee, deren Blätter breit lanzettlich und persistierend, deren Früchte schwarzgrüne, zu hängenden Trauben vereinigte Beeren sind. Senecio palmensis, eine Bergpflanze Palmas und Tenerifes, hat ihre nächsten Verwandten im Himalaya; Athyrium umbrosum, ein fein gestielter Farn mit großen, überhängenden Wedeln weist nach Indien und Ozeanien.

Zum amerikanischen Florenbestandteile gehört eine der allerwichtigsten Pflanzen, die kanarische Pinie, Pinus canariensis. Von unserer Kiefer weicht sie dadurch ab, daß die Verastung bis an den Boden reicht und die zu drei stehenden Nadeln bi s25 cm lang, dünn und hängend sind. Die Höhe des Baumes beträgt bis 40 m; die starken Äste sind 7 m lang. Am Stamm finden sich oft reichliche Nebensprosse, welche die Borke wie mit einem grünen Schleier bekleiden. Die Zapfen sind länglich und bergen zahlreiche Samen. Phoebe (Persea) indica ist ein stattlicher Baum des Lorbeerwaldes.

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Im Pinenwald von La Guancha

Dort schlingt sich eine Liane hoch in die Wipfel der Bäume empor, Smilax canariensis; die herzförmigen Blätter sind weich und stark gerippt. Im Waldschatten vegetiert Solanum nava, ein Strauch, dessen Blüten denjenigen unserer Kartoffel ähneln. Drusa oppositifolia, eine kleinere einjährige Umbellifere, kommt auch in Marokko vor. Die Labiate Bystropogon weist verschiedene Arten auf; alle sind strauchig, stark verastet und besitzen reiche Blütenstände.

Der weitaus größte Teil der kanarischen Pflanzenwelt gehört dem mediterranen Elemente an. Vor allem sind hier eine beträchtliche Zahl Baum- und Strauchformen zu nennen, welche dem Landschaftsbilde seinen eigenartigen Reiz verleihen. Die kanarische Palme, Phoenix canariensis, besitzt große Ähnlichkeit mit der echten Dattelpalme; jedoch sind die Blätter üppiger, lebhafter grün, weniger steif, weshalb sie in schönem Bogen nach unten hängen; die Segmente sind weniger gefaltet. Durch Deckung des Blattstieles erhält die Spreite eine schief-aufrechte Lage. Die Tabaybas, starke, vielfach verästelte Wolfsmilchbäumchen, besitzen an den Enden dichte Büchel von ganzrandigen, blaugrünen Blättern. Die häufigste Art ist Euphorbia Regis Jubae, die bis 6 m hoch wird. Der Lorbeerwald wird fast nur aus mediterranen Bäumen zusammengesetzt: Laurus canariensis, Iles canariensis, Apollonias canariensis, Ocotea foetens, Visnea mocanera u. a. In den Bergregionen finden wir heute nur noch selten die kanarische Zeder, Juniperus Cedrus; um so massenhafter tritt dafür die hier die seltsame, igelartige Retama, Spartocytisus supranubius, auf. Baumförmig ist ferner der obstbaumartige Cytisus proliferus, während Adenocarpus und Micromeria sparrige Sträucher darstellen. Unter den übrigen mittelmeerischen Pflanzen überraschen uns durch ihre wunderbare Mannigfaltigkeit die Semperviven oder Berodes, sukkulente Pflanzen mit oft riesenhafter Entfaltung der Blattrosette und gewaltigen Infloreszenzen. Unter den zahlreichen Taginastes, Echiumarten, zeichnet sich Echium giganteum durch seine Höhe (über 2 m) und den prächtigen weißen Blütenstand aus. Zu den herrlichsten Pflanzen der Inseln zählen ferner die vielen Spezies von Statice; auch sie weisen mächtige Rosetten meist starriger Blätter, dicke Stämme und farbenprächtige Blütensträucher auf. Sonchus ist stets strauchig und besitzt einen niedrigen STamm. Astydamia canariensis, eine schöne gelbblühende Umbellifere, kommt h heute nur noch in Marokko vor; Forskalea angustifolia ist eine der gemeinsten Endemen der unteren Regionen, Canarina, Heinekenia und zahlreiche andere auf die Kanaren beschränkten Pflanzen werden unten noch eine eingehendere Würdigung finden. Zu all diesen Charakterpflanzen der Inseln treten nun noch eine große Anzahl von Arten, welche im Mittelmeergebiete auch heute noch vorkommen. Hierher gehören manche Gräser, Chenopodiaceen, Schmetterlingsblüten, Kruziferen und Kompositen, unter letztern Sonchus spinosus; ferner sind vertreten das Tausendguldenkraut, die Hundsrose, die Erdbeere, das breitblättrige Epilobium, das wilde und das wohlriechende Veilchen, die Akelei usw. Auch in der so reichhaltigen Farnflora finden wir viele europäische Typen, so den Adlerfarn, das Engelsüß, den Wurmfarn, Blechnum spicant, Aspidium aculeatum und Cystopteris fragilis. -

Die Mittelmeerpflanzen der Kanaren sind so zahlreich, daß wir annehmen dürfen, daß sie bei ihrer Einwanderung die ähnlichsten klimatischen Verhältnisse fanden. Dies war unstreitig früher in höherem Maße der Fall als jetzt; aber auch heute noch finden wir manche Analogien. Das Jahresmittel der basalen Region auf Tenerife beträgt 18-20o; die einzelnen Monate weichen nur wenig von diesem Mittel ab, und auch die Jahresschwankung ist gering (August 21,7o, Februar 14,6o) [ Die Jahresisotherme von 16o verbindet heute Lissabon - Ostende der Pyrenäen - Riviera - Neapel - Apulien - Epeira - Saloniki - Lesbos - nördliches Kleinasien. ] ). Die absoluten Extreme, welch für die Pflanzen von größter Bedeutung sind, sind 10,5o und 31,2o. Nach oben nimmt die Temperatur natürlich ab; bei 570 m (Laguna) ist das Mittel 3o weniger; die Unterschiede zwischen Minimum und Maximum werden bedeutender. Doch ists der Gang der Temperatur immer noch ein gleichmäßiger. Bei 1435 m (Vilaflor) ist das Sommermittel 21,6o.

Die Regenmenge an der Küste schwankt im allgemeinen von 300 bis 350 mm. Selten steigt sie höher; gelegentlich kommen recht trockene Jahre vor (1878/79 137 mm). Das ist für die Vegetation außerordentlich wichtig; die Regenminima nehmen eine kräftige Auslese unter den Pflanzen vor zugunsten der Xerophilie. In höheren Regionen wird die Menge der Niederschläge größer; bei 570 m beträgt sie schon 554 mm. Dadurch nähert sich die Bergregion mehr den Mittelmeerländern, deren mittlere Niederschlagshöhe 760 mm ist. Auch ist die Verteilung derselben während des Jahres regelmäßiger. In den tiefer gelegenen Gegenden fallen die Regen in den Winter, was die Vegetationszeit bedingt; zu Beginn des Sommers dorren die Kräuter ab, um erst im Oktober wieder auszutreiben. - In der oberen montanen Region nehmen die Niederschlage wieder ab, und die Temperaturunterschiede werden größer (Übergang in die trockene alpine Region). Immerhin sind auch hier die Winter noch recht milde. In Mitteleuropa hält die kanarische Fichte den Winter nicht mehr im Freien aus.

Die Sättigung der Luft mit Feuchtigkeit ist auf den Kanaren im Sommer größer als im Winter; die unteren Schichten der Atmosphäre sind oft ganz mit Wasserdünsten geschwängert, was für die Pflanzenwelt von großer Bedeutung ist. Die mittlere Luftfeuchtigkeit beträgt 75o [ Das Julimittel in Rom ist 55o, Florenz 49o, Athen 47o, Paris 74o. ]. Auch die starke Taubildung, die selbst in den Sommermonaten nicht ausbleibt, ist von günstigem Einfluß auf das pflanzliche Wachstum.

Die Bewölkung zeigt ihr Maximum im Frühjahr, ihr Minimum im Winter. Im Mittel ist sie 5,8, (im Mittelmeergebiet 4).

Wir wissen, daß in längst vergangenen Zeiten die Niederschlagsmengen auf den Kanaren wi ein ganz Nordafrika größer waren als jetzt, also dem jetzigen Mittel der Mittelmeergegend näher lagen [ Siehe Anmerkung S. 62. ]. Dieser Umstand begünstigte die Einwanderung der mediterranen Flora. Die langwährende allmähliche Abnahme der Niederschläge nötigte die Pflanzenwelt, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen. Die Richtung, in der das geschehen mußte, war die Xerophilie. Sie war indessen keine neue Erscheinung; es konnte sich nur um die Weiterentwicklung schon bestehender Eigenschaften handeln. Die Regenarmut des Sommers in der Mittelmeerzone verlangt dort schon xerophile Anpassungen. Nur die nicht holzigen Pflanzen, die Kräuter, Stauden und Gräser, sind in ihrem Leben auf die feuchte Jahreszeit beschränkt. Die Holzpflanzen, die Bäume und Sträucher, welche für ihre Lebensvorgänge weder der Sonnenwärme noch der Feuchtigkeit der Regenzeit entbehren können, haben keine Ruhezeit; sie sind immergrün. Das immergrüne Laub aber muß gegen die Verdunstung geschützt sein; die Oberhaut ist fest, dunkelgrün oder grau, oft metallisch glänzend, weshalb die Pflanzen, denen sie angehören, Hartlaubpflanzen geheißen werden. Die immergrünen Koniferen erfüllen die gleichen Bedingungen wie die Hartlaubgewächse. Laubwechselnde Formen fehlen nicht; aber ihr Blattwerk ist wie bei den Wüstenpflanzen verkümmert und seine Funktionen werden von den grünen Stengeln selbst übernommen. Viele Pflanzen haben besonders lange Wurzeln, um die Feuchtigkeit aus großen Tiefen heraufzuholen.

Alle diese xerophilen Eigenschaften finden wir auf den Kanaren wieder. Die Hartlaubgewächse bilden zusammen die Lorbeerwälder; die mittelmeerischen Koniferen werden durch die kanarische Föhre und die Zeber vertreten. Vertreter des zweiten Typus sind die Retama, Erica und die Plocama, ferner Asparagus scoparius, eine Spargelform mit langen, gewundenen rutenförmigen Stengeln, verschiedene Winden, Rhodorrhiza, mit besenartigen Zweigen, die Micromeria, der Adenocarpus u. a. Aber die Xerophilie geht auf den Kanaren viel weiter, teilweise auch bedingt druch die Zusammensetzung des vulkanischen Bodens. Die Laven geben einen rauhen, felsigen Boden, welcher von zackigen Schlackenblöcken bedeckt ist und einen äußerst unwirtlichen Eindruck macht. Er bringt der Zersetzung großen Widerstand entgegen. Die Mineralien, aus denen die Laven bestehen, sind daher wenig aufgeschlossen und für die Pflanzen nutzlos. Nur wo lang andauernde Zersetzung größere Mengen von Verwitterungsschutt gebildet hat, wird der Boden fruchtbar; doch kommt es auch in diesem Falle nie zu einer zusammenhängenden Pflanzendecke. Die Individuen wachseln einzeln, immer in namhaften Abständen voneinander. Nur in der wasserreichen Bergregion kommt es zur Bildung geschlossener Bestände (Lorbeer- und Pinienwälder).

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Steinfeld bei Santa Cruz

Eine der wichtigsten xerophilen Erscheinungen ist auf den Kanaren die Sukkulenz, eine Einrichtung, welche durch starke Wasser- und Schleimspeicherung sowie Ausbildung eines assimilierenden Hautsystems die Verdunstung auf ein Minimum beschränkt. Hierher gehören in erster Linie die kanarische Wolfsmilch, welche an den dürrsten Orten zu ansehnlicher Entwicklung gelangt; man sieht ihre kandelaberartigen Büsche aus den Felsspalten der trockendsten, sonnigsten Felswände hervorwachsen. Die Xerophilie geht hier so weit, daß der afrikanische Ursprung der Pflanze sich auf den ersten Blick verrät. Andere Stammsukkulenten sind Euphorbia aphylla und Ceropegia, letzteres eine als Felsenstrauch verbreitete Asclepiadee. Unter den Blattsukkulenten nennen wir Aloë vulgaris mit ihren dicken, lanzettlich zugespitzten, bedornten, zurückgebogenen Blättern und die zahlreichen Arten von Sempervivum, deren kleine oder große Rosetten stiellos auf den senkrechten Felsen sitzen oder von halbmannshohen, verzweigten Stämmen getragen werden. Die Wurzeln dringen unglaublich tief in das Innere des Gesteins hinein. Hierher gehört auch Mesembryanthemum, deren Arten Blätter wie unsere Fetthenne tragen und am Strande oft weite Strecken bedecken.

Eine neue xerophile Anpassung, welche viele Kanarenpflanzen zeigen, ist die Federbuschform. Die langen und schmalen Blätter, denen eine deutliche Gliederung in Stiel und Spreite meist mangelt, sind an den Achsenenden zu einer Rosette angehäuft. Dadurch wird die Transpiration vermindert; das panzerartige Übereinanderdecken der Blattbasen erhöht aber auch die Widerstandfähigkeit gegen den Wind. Die wenig zahlreichen Äste sind gewöhnlich dick und säulenförmig, deshalb gegen das Zerbrechen und Zerreißen trefflich geschützt. Federbuschtypen sind der Drachenbaum, die Euphorbia Regis Jubae und andere Wolfsmilcharten, die Kleinia, ferner Odontospermum sericeum mit ihren prächtigen, silberweiß behaarten Blättern und goldgelben, talergroßen Blütenkörbchen. Unter den zahlreichen Echiumarten ist am bekanntesten Echium simplex; auf einem einfachen, bis 5 cm dicken und über meterhohen Stamme befindet sich eine mehrere cm breite Rosette aus grauseidenglänzenden behaarten Blättern, deren Basis eine verdickte Rippe aufweist. Einigermaßen an die Federbuschform erinnert auch Statice arborea; die Hauptachse wird öfters zu einem aufrechten blattlosen Stamm mit kurzen Ästen, die gedrängte Blattrosetten tragen. Auch die Palme darf hier aufgezählt werden.

Ein höchst interessante Erscheinung, die mit dem Klima im engen Zusammenhange steht, ist die gesteigerte Entwicklung der pflanzlichen Individuen. Mittermeerische Kräuter haben hier Vertreter, die viel größere Dimensionen aufweisen; krautartige Stauden haben analoge Formen mit Holzstamm, der in der Regel geringelt und Blattnarben versehen ist; kontinentale Sträucher haben die Größe von Bäumen. Zu den erstgenannten gehören Semele (Ruscus) androgynus, eine riesige Waldliane mit blattartig ausgebildeten Sprossen, und Canarina Campanula, eine gewaltig entwickelte Campanulacee. Vergrößerte Baum- oder Strauchform zeigen die kanarische Palme, der Zedernwacholder, der Lorbeer, der im Gegensatz zum mittelmeersichen Laurus nobilis hochstämmig ist, Arbutus canariensis, Viburnum rugosum, ein wichtiger Bestandteil des Unterholzes im Lorbeerwald. Cistus vaginatus ist die größte aller Cistusformen. Heinekenia ist eine mit Lotus verwandte, hängende Felsenpflanze mit prachtvollen Blüten. Lotus selbst weist hier einen reichen Formenkreis auf. Unter den Labiaten muß hier die weißwollige Leucophaë erwähnt werden, da sie sich durch strauchigen Wuchs auszeichnet. Rumex Lunaria übersetzt unseren R. scutatus ins Riesenhafte; Plantago arborescens wird bis 1 m hoch. Die zahlreichen Sonchusarten zeigen alle mächtige Entfaltung; einige werden wegen ihrer baumartigen Ausbildung als Dendrosonchus bezeichnet. Sonchus leptocephalus ist ein wenig ästiger Strauch, der bis 2,5 m hoch wird; seine großen, hängenden Blätter sind in schmal lineale, seidig behaarte Zipfel geteilt, welche vom Winde hin und her bewegt werden. Es ist diese Zerteilung eine Anpassung an exponierte Standorte. Auch die Chrysanthemen, die ebenfalls zu kleinen Sträuchern geworden sind, haben feingeschnittene Blätter.

Pflanzen, welche an trockenen Winden ausgesetzten Orten wachsen, haben nicht selten rutenartig ausgebildete Zweige. Asparagus, Reseda, Convulvulus, besitzen deshalb den Speziesnamen scoparius. Auch die erwähnte Heinekenia besitzt dünne Langtriebe; Plocama pendula stellt ein trauerweidenartiges Bäumchen dar.

Der Umstand, daß die Pflanzen der Kanaren mit Ausnahme der wenigen waldbildenden Formen den Boden nur in Zwischenräumen bedecken, wie die Tatsache, daß die Insekten relativ schwach auf den Inseln vertreten sind, hat manche Eigentümlichkeit der Blüten zustande gebracht. In einigen Fällen sind dieselben kleiner als bei ihren nächsten mediterranen Verwandten (Viola odorata v. maderensis, Orchis patens v. canariensis); in diesem Fall können sie die Insektenbestäubung völlig entbehren. Meist aber sind die Infloreszenzen stattlicher, vielblütiger und mit ungewöhnlicher Pracht ausgezeichnet, da sie der Mithilfe der Insekten bei der Bestäubung nicht entraten können und deshalb starker Lockmittel bedürfen. So gehören die Echium-Arten mit ihren riesigen, weißen oder leuchtend blauen Blütenständen zu den augenfälligsten Gewächsen der Inseln. Sie sammeln, ähnlich der Agave, jahrelang Nährstoffe für die Blüten- und Samenbildung, nach welcher der fertile Sproß oder die ganze Pflanze zugrunde geht. Vergrößerte Blumen haben Cistus vaginatus, Geranium anemonifolium, in der alpinen Region Viola cheiranthifolia. Mit leuchtender Pracht sind die Clianthus-ähnlichen Blüten von Heinekenia ausgestattet. Statice erhöht die Augenfälligkeit durch die große Zahl der kleinen herrlichen Blüten, ebenso Sempervivum; S. annuum bietet zur Zeit der Blüte einen überraschenden Anblick dar. Bei 2000 m Höhe locken die großen weißen Blüten der blattlos scheinenden Retama durch ihren Duft Tausende von Bienen herbei. Auch die Blütezeit zeigt die Einwirkung des veränderten gleichförmigen Klimas. Die Gewächse des Lorbeerwaldes zeigen eine auffällige Verlängerung und Regellosigkeit derselben. Viele Pflanzen tragen Blüten und Früchte zugleich.

Wir sehen aus all den angeführten Erscheinungen, daß Klima und Bodenverhältnisse eine ganze Anzahl von Merkmalen, welche die eingewanderten Pflanzen mitbrachten, modifizierten. Bei vielen Formen blieb dabei der Artcharakter unverändert (Pistacia atlantica, Sonchus spinosus, zahlreiche Farn); öfters aber ist die Verschiedenheit derart, daß die kanarische Form als Varietät aufgefaßt werden muß. Hedere Helix v. canariensis ist durch fleischigere, breitere, stumpfer lappige Blätter von unserm Efeu verschieden, ferner dadurch, daß er nicht an den Bäumen emporklettert, sondern nur den Boden überwuchert. Andere Typen sind: Orchis patens v. canariensis, Arum italicum v. canariensis, <>Trisetum neglectum v. canariensis, Nothochlaena Maranthae v. canariensis, Mentha silvestris v. Teydea. In der Mehrzahl der Fälle indessen hat die insulare Abgeschlossenheit mit dem Klima und der langen Zeitdauer seit dem Pliozän mehr bewirkt als bloße Variation; sie hat neue Arten geschaffen. Solcher gibt es eine große Anzahl. Von den 806 auf den Kanaren einheimischen Pflanzen sind 414 Arten überhaupt nur ihnen angehörig, endemisch; das macht über 51%, ein Prozentsatz, wie er höchst selten übertroffen wird [ "Galapagos 52, St. Helena 61, Juan Fernandez 70, Neu-Seeland 71, Sandwichinseln 74%. Von insular isolierten Kontinentalgebieten ist Westaustralien mit 70% das endemenreichste Land der Erde" (Schröter). ]. Allerdings müssen wir dabei zwei Arten von Endemismen unterscheiden. Die einen sind dadurch entstanden, daß die Pflanze sich selbst nicht verändert hat, sondern an allen übrigen Orten, wo sie früher heimisch war, ausgestorben ist; das sind Altendemismen. Die übrigen, die Neuendemismen, sind im Entstehen begriffene Arten und weisen meist eine ganze Anzahl von zu derselben Gattung gehörigen Spezies auf. Die Kanaren besitzen sowohl zahlreich Alt- wie auch Neuendemismen. Zu den erstern gehören der Drachenbaum, die Palme, die kanarische Euphorbie, die Kleinia, die Pinie, lauter verbreitete, im Landschaftsbilde hervortretende Gewächse. Weitaus die größere Zahl der Endemismen aber sind Neubildungen. Das gleichmäßigere, wärmere, in der Küstenregion regenärmere Gebiet übt zweifellos auf die Variation und Mutation der Pflanzen einen fördernden Einfluß aus. Bei der insularen Abgeschlossenheit der Vegetation und der Vereinzelung der Individuen wird die Kreuzung verhindert oder beschränkt; die Ausmerzung der entstehenden Variierungen, welche durch die sie bewirt wird, fällt dahin, und die neuen Pflanzen kehren zu den Eigenschaften der direkten Eltern zurück. Im Laufe großer Zeiträume entfernt sich aber so die Pflanze immer mehr von ihrer Urmutterpflanze; es entsteht eine neue Art. Sind die Verbreitungsmittel der Samen oder Früchte wirksam ausgebildet, so wir die neugebildete Form über ein großes Areal oder eine ganze Insel verbreitet, in mehr zufälliger Weise auch auf andere Inseln übertragen. Viele Pflanzen abe bringen es nicht über ein gewisses Gebiet hinaus, da Höhenzüge, regionale Zonen, Wechsel des Untergrundes (scharfkantiger Grus, weicher Tuff, Humus), Unterschiede in der Feuchtigkeit (trockene Lavaströme, feuchte Barrancos) der Verbreitung Grenzen setzen. Die Isolierung kann soweit gehen, daß eine Art auf den Grat zwischen zwei Schluchten, auf einen einzigen Barranco, eine meerumtobte Klippe beschränkt ist. So bewohnt die schöne Statice imbricata nur den Roque de Garachico, einen trotzigen Felsen unweit der Küste im NW. von Tenerife; St. arborescens wurde bloß auf einem niedern Berge zwischen S. Cruz und Guimar gefunden. Mehrere Sempervivumarten sind an gewisse Barrancos gebunden. Häufiger ist allerdings, daß eine ARt wenigstens eine Insel bewohnt; jede hat Endemen, die auf den andern Inseln fehlen. Für Tenerife sind so charakteristisch Ilex platyphylla, Aeonium cuneatum und Greenovia gracilis (2 Hauswurzarten), Echium simplex, Euphorbia atropurpurea und Bourgeana. Auf Gran Canaria finden sich u. a. 3 endemische Micromerien, ein Odontospermum, ein Pericallis; Palme beherbergt Viola palmensis, Sambucus palmensis und Lactuca palmensis. Euhphorbia Berthelotii, Sideris Gomeraea kommen nur auf Gomera vor usw. Die östlichen Inseln, deren Klima mehr kontinentalen Charakter hat, besitzen begreiflicherweise zahlreiche Inselendiemismen; es mögen nur Lotus Lanzerotensis und Aichryson Bethencourtianum genannt werden. Einige Gattungen, z. B. Statice, Leucophaë, Micromeria und Echium, haben auf den Inseln verschiedene stellvertretende Arten; da mehrere dieser Genera sich auf den einzelnen Inseln wieder spalten, so haben wir einen erstaunlichen Formenreichtum vor uns. Statice weist im ganzen 9 Arten auf, von denen 8 nur auf den Kanaren heimsich sind; Echium 10, Sonchus 14. Das Außerordentlichste leistet allerdings Sempervivum mit einer Gesamtzahl von 60 Arten; 50 davon sind endemisch.

Jahrtausendelang hat die kanarische Pflanzenwelt in großartiger Vereinsamung sich ungestört fortentwickelt. Nur außerordentliche klimatische Erscheinungen (trockene Jahre, niedere Temperatur) vermochten den Gang zu hemmen; vulkanische Ausbrüche haben auch wohl die Vegetation großer Strecken vernichtet, dadurch allerdings als Entgelt wieder neutralen Boden für Neuansiedlung schaffend. Zunächst wurde derselben meist von Flechten in Anspruch genommen; Roccella tinctoria, die Orseilleflechte, ist der interessanteste Vertreter derselben. Denn folgen xerophile Moose und Farn; Davallia canariensis ist der erste Farn, der von vulkanischem Boden Besitz ergreift. Vion frühen Phanerogamen nennen wir einen Lavendel, Lavandula Stoechas, ein Erodium, den Asphodel, Rumex Lunatus, Kleinia, die Euphorbien, Chrysanthemum frutescens u. a. Auch die Pinie vermag auf nacktem Lavafels festen Fuß zu fassen; ihre Wurzeln dringen tief in die Spalten des harten Gesteins. Die spärliche Feuchtigkeit desselben genügt, um die Pflanze zu mächtigen Bäumen werden zu lassen. Reichliche Samenbildung, leichte Keimfähigkeit der Samen, große Regenerationskraft, unschwierige Vermehrung durch Stecklinge, rasches Wachstum bewirken, daß sie sich über die Laven ausbreitet und offene Waldbestände bildet. Solche Wälder haben die Inseln in früheren Zeiten bis zur Küste hinab weithin bedeckt.

Die Entwicklung der Pflanzenwelt ging um so ungestörter vor sich, als pflanzenfressende Säugetiere vollständig fehlten. Das einzige ursprüngliche Säugetier ist eine Fledermaus. Zur Seltenheit nur erschien inmitten der heimischen Vegetation eine neue Pflanze, deren Samen durch den Wind oder Zugvögel vom Kontinente herübergebracht worden waren oder die Golfstrom aus dem fernen Westen mitgeführt hatte. Manche mag schnell genug wieder zu wenig zusagten; andere brachten Eigenschaften mit, die sie befähigten, im Kampfe ums Dasein auszuharren uns sich als Neuansiedler ein weiteres Areal zu erobern.

Die Vögel waren die einzigen Gäste, welche die Inseln besuchten; sie allein brachten neue Leute in die gewaltige Einsamkeit, in welcher das Land sich sonnte. Jahreszeiten und Jahre lösten einander ab in regelmäßigem Wechsel; nur der Ozean schlug in ewiger Gleichheit wild brandend an die schwarzen Felsenklippen und erfüllte die Luft mit seinem Getose, das an kein menschliches Ohr noch drang. Wären Menschen dagewesen, dann hätten sie im Gehölz den Gesang der grünen kanarischen Finken vernommen oder das Gurren der Tauben, die den Lorbeerwald belebten und sich von dessen Beeren ernährten. An Quellen und Bächen quakte ein Laubfrosch (Hyle arborea v. meridionalis); im Steingewirr der Lavaströme sonnte sich eine Eidechse mit blaugrünen Seiten (Lacerta Galloti), hier und da überrumpelt vom einzigen Raubtier der Inseln, dem kanarischen Turmfalken (Cerchneis tinnunculus canariensis). Schmetterlinge flatterten von Blume zu Blume, z.T. europäische Arten wie Macroglossa stellatarum, Calias edusa, Vanessa cardui, z. T. kosmopolitische oder it amerikanischen Spezies verwandte Formen. Dem Blütennektar stellten auch Bienen und Hummeln nach; unter den letztern finden wir insular-atlantische Typen wie Bombus terrestris v. canariensis und Ammophila Madeirae. Fliegen schwärmten durch die Luft, verfolgt von einer Mauerschwalbe (Cypselus unicolor); am Boden umher wie stengelauf und -nieder kroch ein ganzes Heer von Käfern mit zahlreichen nur hier vertretenen Arten [ Nicht weniger als 50 Spezies und Varietäten von Curculioniden nähren sich heute ausschließlich von Euphorbien. ].

Da trat ein außerordentliches Ereignis ein, welches eine starke Veränderung um Vegetationsbilde wenigstens der basalen Region bewirken sollte. Von Afrika her kamen die ersten Menschen, die bereits auf der Stufe des Ackerbaus angelangt waren. Wohl machten sie sich das, was die neuen Verhältnisse boten, zu nutze; sie genossen die Früchte des Erdbeerbaumes, der Visnea u. a. Pflanzen, ferner Farnwurzeln, Pinienkerne, wilden Honig und drgl. mehr. Aber sie brachten auch eine ganze Anzahl neuer Pflanzen mit, deren Kultur die Zerstörung ursprünglicher Pflanzengesellschaften bedingte: Weizen, Gerste, Erbsen, Bohnen. Durch Beseitigen der Gesteinsblöcke auf alten Lavafeldern, an denen die Verwitterung schon lange gearbeitet hatte, wurde der Grund für die Pflanzen bereitet; der Verwitterungsschutt ist bei genügender Feuchtigkeit sehr fruchtbar. Leichter zu bebauen waren allerdings die lockern Tuffmassen, welche besonders für den Getreidebau einen lohnenden Boden bildeten. Wo sich früher Steinwüsten mit spärlicher Vegetation ausgebreitet hatten, waren jetzt kleinere oder größere Äcker, auf denen neben den kultivierten Nutzpflanzen eine ganze Anzahl eingeschleppter Unkräuter aufsproßten, so Chrysanthemum coronarium, Anchusa italica, Gladiolus segetum, Papaver Rhoeas, Lamarckia aurea. Aber auch an anderen Orten siedelten sich unabsichtlich eingeführte Pflanzen an; in der Nähe der Wohnungen, an Wegen, auf Schutthaufen, am Strande entstand eine ganz neue Vergesellschaftung. Fast die gesamte meist aus einjährigen Gräsern und Leguminosen bestehende Frühlingsflora kann so als eingewandert betrachtet werden. Vielen dieser Arten hätte der natürliche Boden keine günstige Stätte geboten; auf dem Kulturgrund war es ihnen ein Leichtes, den Kampf mit der einheimischen Vegetation aufzunehmen. Die dermaßen eingewanderte Flora kann auf 420 Arten geschätzt werden; die Mehrzahl findet sich auch im Mediterrangebiet, während andere tropische Formen darstellen, die sowohl in der alten wie auch in der neuen Welt heimisch sind.

Eine neue Etappe in der durch die Menschen veranlaßten Änderungen der Pflanzenwelt bildete die Eroberung der Kanarischen Inseln durch die Spanier im 15. Jahrhundert. Sie führten sukzessive eine Anzahl neuer wichtiger Kulturpflanzen ein, die im Gefolge stets die Einwanderung neuer Unkräuter hatte. Die bedeutendste war zunächst das Zuckerrohr, das Don Pedro de Vera, der erste Gouverneur der Inseln, 1489 von Spanien und Madeira herüber kommen ließ, zusammen mit "Fruchtbäumen, Gemüse, Zuchtvieh und Wildbret". Die Bedingungen, welche zum Gedeihen des Zuckerrohrs erforderlich sind, waren hier vortrefflich vereinigt: fruchtbarer, aber leichter und lockerer Boden, auf dem kein Wasser stehen bleibt, möglichste Aussetzung der Sonnenhitze, gelegentlicher reicher Regen. Auf allen Inseln wurden zahllose Rohrpflanzungen angelegt; der Gewinn, den sie abwarfen, war ein ganz ungewöhnlicher. Durch die spätere Konkurrenz des indischen Zuckers wurde der kanarische aber allmählich vom Markte verdrängt; sie Rohrpflanzungen mußten einträglicheren Kulturen weichen [ Heute gibt es nur noch auf Gran Canaria und Tenerife Zuckerpflanzungen, auf der letztern Insel allein im Nordwesten, wo auch noch eine Zuckermühle besteht. In nicht ferner Zeit wird die Zuckerkultur auf Tenerife, wo sie einst so mächtig war, vollständig erloschen sein. ].

Mit dem Zuckerrohr war von Madeira her der Weinstock eingeführt worden; die Malvasiertraube wurde von Kreta gebracht. Aber erst zu Anfang des 16. Jahrhunderts nahm die Kultur der Rebe einen bedeutenderen Umfang an. Bis Ende des folgenden Jahrhunderts bildeten die kanarischen Weine einen wichtigen Ausfuhrartikel. Als aber spanische und französische Weine immer mehr in Aufschwung kamen, ging auch der Weinbau zurück. Nur vorübergehend vermochte die Einführung einer neuen Sorte, der Vidueñatraube, den Rückgang zu hemmen; nachdem 1850 eine Rebenkrankheit, das Oidium Tuckeri, die Inseln heimgesucht hatte, war es mit dem Weinbau für immer vorbei. Wo noch Reben bestanden, wurden sie ausgerissen und der Boden mit der Tunera, Opuntia Tuno u. Dillenii, bepflanzt. 1828 war nämlich aus Cadiz die Cochenille-Schildlaus eingeführt worden, welche einen prachtvoll roten Farbstoff liefert. Da ihre Nährpflanzen, die Opuntien, auch da wachsen, wo anderen Pflanzen das Fortkommen versagt ist, wurde ein großes Areal neuen Bodens aufgeschlossen. Nach 40 Jahren stieg die Produktion so stark, das die Cochenille 86% des Gesamtausfuhrwertes betrug, auf den Kopf der Bevölkerung 63 Franken. Aber die so einträgliche Kultur sollte nur zu rasch ein Ende nehmen; die Erfindung der Anilinfarben versetzte der Cochenillezucht den Todesstoß [ Noch heute sieht man auf Tenerife zahlreiche Opuntienfelder, "Tunales", besonders im Osten der Insel; die Ausfuhr des Tieres ist aber kaum beachtenswert. ].

Von andern heute kultivierten Pflanzen, die der Landschaft ein gewises Gepräge zu verleihen vermögen, sind vor allem die Kartoffeln zu nennen, die seit 1698 auf den Inseln angebaut werden. Sie werden auf allen 7 Inseln kultiviert und bilden ein Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung. Besonders reichlich werden Zwiebel und Knoblauch angebaut; auch die Tomates liefern stattliche Erträgnisse. Die Obstkultur hat noch keinen großen Umfang angenommen; Pfirsiche, Mandeln, Orangen, Feigen, japanische Mispeln sind die verbreitesten Früchte. Weniger häufig sind Oliven, Datteln, Äpfel, Birnen, von tropischen Obstsorten Guaven, Annonen, Aguacate, Pitanga und die Früchte von Carica Papaya. 1840-90 spielte der Anbau von Tabak keine Rolle; der Kaffee vermochte nie zur Geltung zu kommen. Huete ist es die Banane (Musa cavendishii), welche der Küstenregion unter allen Kulturpflanzen den hervortretendsten Zug verleiht. Die bis 2 m hohen Pflanzen stehen

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Kulturgelände bei Icod

in regelmäßigen Abständen von 1,5-2 m; auf dem langen, säulenförmigen Strunk erhebt sich ein Büschel gewaltiger Blätter, aus deren Grunde zur Zeit der Reife eine mächtige Fruchttraube herabhängt. Es ist vorauszusehen, daß die Bananenfelder sich in Zukunft bedeutend vermehren werden; bei guter Bewässerung gedeiht die Pflanze ausgezeichnet. Schon jetzt bildet die Frucht den wichtigsten Ausfuhrartikel.

Die große Ausdehnung, welche die Kultur allmählich gewonnen, hat das ursprüngliche Bild, besonders der untern Region, sehr verändert. Der Pinar oder Pinenwald reicht schon längst nicht mehr zur Küste herab, wie dies vor 400 Jahren noch der Fall war; auch der Lorbeerwald wurde durch die Menschen stark dezimiert. Leider geht die Entwaldung heute noch vor sich, auch wo es die Kultur nicht unbedingt erfordert. Durch Köhler werden die Erikawälder und noch vorhandenen Pinare hart mitgenommen; in den letztern wird zudem auf die leichtsinnigste Weise Harz gewonnen [ Mit grenzenlosem Unverstand wird hiezu die Lizenz erteilt. Die Regierung gab einem Unternehmer die Erlaubnis, im Pinar oberhalb Vilaflor am Südabhang des Piks 40000 Pinien zur Harzgewinnung anzuzapfen! Die Erlaubnis zum Holzen in den Staatswäldern kann für 1 Peseta erhalten werden! ]. Der Zedernwacholder, Juniperus Cedrus, der früher an der obern Grenze der Kiedernwälder sehr verbreitet war, ist heute beinahe ausgerottet. Um 1850 wurden noch 6 Standorte angegeben, 3 auf Tenerife, 2 auf Palma, 1 auf Gran Canaria. Die Palmen sind heute auf den Bereich der Kultur beschränkt, wo sie angepflanzt oder verwildert sind; nur auf Palma wachsen sie noch wild in den Felsspalten entlegener Barrancos. Auch der Drachenbaum, "die berühmteste Schöpfung der Kanaren", ist dem Aussterben nahe. Auf Tenerife findet er sich noch an 2 Orten in wildem Zustande: an unzugänglichen Wänden bei Taganana und Los Silos. Auf Palma allein kommt er noch häufiger vor.

So mag schon manche Pflanze ausgerottet sein, von der wir kein Wissen haben. Doch dürfen wir annehmen, daß ihre Zahl nicht allzu groß ist. Der Kampf um die Existenz auf einem Boden, welchem die einheimischen Pflanzen aufs genaueste angepaßt sind, indessen die meisten andern schon im Frühsommer welken, muß mit dem Siege der erstern enden. Dies lehrt uns ein Beispiel. Die Edelkastanie, welche von den Eroberern eingeführt wurde, entwickelte sich rasch zu starken großen Bäumen. Da sich sich aber nicht durch Samen zu vermehren vermag, sind die Kastanienhaine an manchen Orten wieder verschwunden, und auf dem freigewordenen Terrain siedelten sich Erika, Myrika und Lorbeergewächse an. - - -

In der Basalregion müssen wir verschiedene Vegetationsformen unterscheiden [ Der Pik von Tenerife ist seit Humboldt ein berühmtes Beispiel für die zonale Gliederung der Vegetation nach der Höhe. Wir lassen deshalb noch eine kurze Charakteristik der einzelnen Formationen folgen. Wiederholungen sind dabei unvermeidlich; der Leser möge sie gütig entschuldigen. ]. Auf flachstrandigen, sandigen Partien, die allerdings nicht häufig sind, bildet die Tamariske, Tamarix canariensis, die auffälligste Erscheinung; die hohen Büsche mit ihren rutenförmigen grünen Zweigen bilden lichte Bestände. Die niedrigen Kräuter gehören meist der gewöhnlichen Salz- und Sandflora an. Von besonderem Interesse sind die flach am Boden liegende Polycarpaea Teneriffae, die zur Blütezeit mit karminroten Blumen geschückten Mesembrianthemen und die Forskalea angustifolia, eine der häufigsten Endemen am Strande. Von größerer Wichtigkeit ist aber die Flora der Strandfelsen und der mit gröbern Gesteinstrümmern übersäeten Küstenpartien. Sie bildet keine eigentliche Pflanzendecke; die Individuen sprießen vereinzelt aus dem vulkanischen steinigen Boden empor, der überall zwischen ihnen sichtbar bleibt. Sie fesseln indessen die Aufmerksamkeit des Beschauers in hohem Grade; denn gerade sie sind die eigenartigsten Vertreter der kanarischen Flora. Sie repräsentieren entweder die Federbuschform oder sind Stammsukkulenten, wie die abenteuerliche, kandelaberästige kanarische Wolfsmilch. Euphorbia Regis Jubae und die Kleinie sind bis mannshohe verästelte Bäumchen, deren Blätter alle am Ende der Zweige zusammengedrängt sind. Plocama gleicht einer niedrigen Trauerweide; Rumex Lunaria ist ein mächtiger, reich belaubter Busch. Chrysanthemum frutescens erinnert an den Blütenschuck der europäischen Wiesen, Artemisia canariensis an die Artemisien der Mittelmeerflora. Große Blattrosetten und prächtige Blütenstände besitzen Echium giganteum und simplex. Die auf den Kanaren sonst so zahlreichen Farn sind durch Davallia canariensis vertreten. Hinter all diesen endemischen Pflanzen treten die übrigen sehr zurück: der hochstengelige Asphodel, dei weiße Lavandula Stoechas, der schönblütige Heliotrop, der phönizische Wacholder u. a. - Auf den schwarzen meerumbrandeten Lavaklippen finden wir die herrlichsten aller kanarischen Pflanzen, die Siemprevivas del mar der Eingebornen, die Statice des Botanikers. Nicht umsonst bilden ihre breitfächerförmigen, meist zyanblauen Blütensträuße eine Hauptzierde der Blumenbuketts, mit denen die Isleños ihre primitiven Heimstätten schücken [ Die Insulaner sind große Blumenfreunde und Pflanzenkenner, so daß sie die Besucher mit ihrem Wissen oft in Erstaunen setzen. Alle mehr oder weniger im Landschaftsbilder hervortretenden Pflanzen haben ihre besonderen Bezeichnungen; aber auch die unscheinbaren Arten der Flora sind ihnen bekannt. Viele dieser Namen sind von den Guanchen auf die heutige Bevölkerung übergegangen: Ajonjoli (Callianassa), Algaritofe (Cedronella), Alicacaba (Ruscus), Arrebol (Echium simplex), Balo (Plocama), Berode (Kleinia), Bicacaro (Canarina), Chahorra (Leucophaë), Guaidil (Rhodorrhiza), Hediondo (Bosia), Jarra (Cistus vaginatus), Mocan (Visnea), Orobal (Withania), Tabayba (Euphorbia), Tagasaste (Cytisus proliferus), Taginaste (Echium strichum), Tacorontillo (Dracunculus).

Viele Namen sind durch die Spanier von europäischen Pflanzen auf die kanarischen übertragen worden. So heißen Ocotea Til (Linde), die Euphorbia canariensis Cardon (Distel), der Wacholder Cedro (Zeder), die Bananen Plátano (Platane), Myrica Faya Haya (Buche), die Cinerarien Tucilage (Huflattich). Zahlreiche Namen sind aber auch neu geschaffen:

Arbol de Santa Maria (Clethra); blüht rein weiß), Pastel del risco (Sempervivum; große Blattscheiben), Yerva tostonera (Adiantum reniforme; geldstückähnliche Blätter), Mataperro (Ceropegia; giftig), Viola del Pico (Viola cherianthifolia; Pikveilchen), Breso (Erica arborea; Heide). Aegilops, ein weizenähnliches, unfruchtbares Gras heißt Trigo de los Guanches.

Einge Vulgärnamen haben in wissenschaftlichen Werken allgemeines Bürgerrecht gewonnen.]. - Zu den genannten Pflanzen, welche der Strandfelsenvegetation ihren eigenartigen Reiz verleihen, tritt im Frühjahr das Heer der einjährigen oder wenigstens nur vorübergehend aufschießenden Gewächse, die den Boden mit einem grünen Anflug bedecken. Ihre Arten sind zahlreich; es sind aber meist allgemein verbreitete Formen, die wenig Interesse hervorrufen (Medicago, Trifolium, Vicia, Bromus, Erodium, Calendula usw.). Nur die tropischen Elemente sind bemerkenswert, u. a. Nicotiana glauca, Dalma Metel, Oxalis cernua. Schließlich muß hier noch die Palme erwähnt werden, obwohl si eauf den wenigsten Inseln mehr wild vorkommt; ebenso die Aloë vulgaris, welche völlig einheimisch geworden ist.

Zahlreiche Schluchten oder Barrancos durchfurchen die Gehänge der Basalregion. Im Frühling rauschen rohe Wasser durch ins Tal; aber auch sonst findet sich hier stets eine gewisse Feuchtigkeitsmenge, indem das in Spalten unsichtbar dahinrieselnde Wasser der Wände nie völlig trocken werden läßt. Die Barrancoflora stellt deshalb einen ganz neuen Vegetationstypus dar. Vor allem finden wir zahlreiche Blattsukkulenten. Die prachtvollen Rosetten von Sempervivum kleben in großer Zahl und verschiedenster Größe an den Felsen; einzelne sind stiellos, während ander auf baumförmig verästelten Stielen sitzen und so einigermaßen eine Kleinia nachahmen. Die Blütenstände, oft wahre Kandelaber, prangen in Weiß, Rosa, Gelb, Purpur. Andere Barrancopflanzen sind Asparagus scoparius, Canarina Campanula, die silberne Paronychia canariensis, gelbe Ginster, prächtige Echien, Sonchus mit leuchtenden Infloreszenzen u. a. Einen wichtigen Bestandteil der Barrancoflora bilden die Farne. Die anziehendsten Arten sind Adiantum Capillus veneris, Adiantum reniforme, das auf glänzend schwaren Stielen talergroße, runde Blätter trägt, Asplenium Hemionitis, welches in seiner Blattform unsern Efeu nachahmt; Aspidium molle hüllt die Wasserleitungen, welche die Schluchten durchziehen und das Wasser aus höhern Regionen zu Tale bringen, in einen grünen Mantel ein. Selaginella denticulata bedeckt den Boden mit grünem Überzuge. Die seltsamste Barrancopflanze ist aber der Drago. Zwar kommt er nur noch selten in wildem Bestande vor; einzelne Bäume finden sich indessen in fast jedem Dorfe, da die Blätter in der trockenen Jahreszeit als Viehfutter verwendet werden.

In früherer Zeit setzte sich die gesamte Vegetation der Küstenzone aus Barranco- und Strandfelsenflora sowie dem Pinienwald zusammen; heute ist dieser vollständig ausgerottet. Dafür finden wir nunmehr eine Unzahl von Kulturterrassen, welche sich zwischen die von ursprünglicher Pflanzenwelt besiedelten Strecken Landes hineindrängen. Sie werden umhegt von künstlichen Lavamauern, an denen häufig farbenprächtige, wunderbar uppige Pelargonien auf weite Strecken emporwuchern. Ausgedehnte Äcker gibt es nicht; es fehlen dafür ebene Flächen, Ackergrund und das nötige
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Im Lorbeerwald von Agua Garcia
Wasser. So kann der kanarische Feldbau eher eine Gartenkultur genannt werden. Die meisten der Terrassen sind mit Bananen bepflanzt; die Tunales, die mit Opuntien bebauten Felder und die Rebgelände sind seltener geworden. Daneben kommen vor Mais-, Gersten-, Weizen- und Lupinenfelder; von Gemüsen weden in größerem Maßstab gepflanzt Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten. In Gegenden mit stehendem oder fließendem Wasser wird die mit großen, pfeilförmigen Blätter versehene Colocasia esculenta gezogen, deren Knollen wie die Kartoffeln verwendet werden. Von Mähwiesen wieß man nichts; nur selten werden größere Partien mit Futtergewächsen (Mais, Saubohnen, Luzerne) besetzt, ohne daß diese aber zur Heugewinnung herangezogen werden. Das Vieh wird meist auf unkultivierte, mit einheimischen Pflanze bewachsene Terrains ausgetrieben. Da und dort sehen wir hohen Schilf, Arundo Donax, angepflanzt und verwildert. Die Obstbaumkultur ist wenig ausgedehnt. Die Chausseen, die das Gelände durchziehen, sind mit den gigantischen, schattenlosen Eukalypten (Eucalyptus Globulus) bepflanzt; aus den zahlreichen schönen Gärten ragen die Zypresse oder die schlange Araucarie, stets auch die schlanke kanarische Palme empor. Die Häuser und ihre Balkone sind meist mit den dunkelroten Teppichen der herrlichen Bougainvillea behangen.

In der Region des Passatwolkengürtels (800-1600 m) hängen das ganze Jahr hindurch dicke graue Nebel. Sie sind die Ursache der frischen und üppigen Vegetation, die wir hier finden. Alle feuchten Schluchten und Hänge sind vom Lorbeerwald in Anspruch genommen, während die Gräte und trockeneren Stellen von mannshohem Buschwerk, dem Hartlaub, bestanden sind. Der Hochwald setzt sich aus lauter lorbeerartigen Bäumen zusammen, deren Blätter meist oval, ganzrandig, dicklich, spiegelglänzend und sattgrün sind und sich durch sehr starken Hauptnerv und ein langmaschiges Netz zarter Seitennerven auszeichnen. (Die ruhenden Laubknospen sind mit einer krautigen, wenig gliedrigen Niederblatthülle versehen, entsprechend den günstigen Bedingungen während der Ruhezeit.) Es sind fast ausnahmslos Laurineen: Phoebe (Persea) indica, deren gewaltig ausholende, schlange Äste aus einem mächtigen aber kurzen Stamm bis 40 m Höhe aufstreben, Laurus canariensis, der in allen Teilen unserm L. nobilis gleicht, Ocotea foetens mit eichenartig ausgreifender Krone, Apollonias canariensis, ein gedrungener Baum mit dichter Verästelung und mehr ovaler Krone. Die Blüten dieser 4 Lorbeertypen sind klein und unansehnlich; die Früchte sind Beeren, welche von wilden Tauben mit Vorliebe verzehrt werden. Unter diese Charakterpflanzen des Lorbeerwaldes mischen sich Ilex canariensis, im Habitus unserer Stechpalme gleichend, aber bis 18 m hoch, Erica arborea, die mit ihrem spitzen Wipfel an Zypressen, mit ihrem Laube an Tamarisken erinnert, Myrica Faya, ein buschiger Baum mit glanzlosen Blättern, Pleiomeris canariensis, einer Magnolie gleichend, Visnea Mocanera mit eßbarer Beerenfrucht u. a. Im Unterholz sind vertreten Viburnum rugosum, im April mit Blumen und Beerendolden zugleich versehen, ein Rhamnus, 2 Smilax, Rubia angustifolia. Am Boden kriecht der stumpfblättrige kanarische Efeu umher. Zahlreiche Farne erhöhen noch die Reize des Waldes. Die 2-3 m langen, breitgefiederten Wedel mit einem kleinen Sprößling am Ende gehören Woodwardia radicans an; Athyrien und Aspidien sind in überquellender Fülle entwickelt; dort steht ein goldschuppiger Ceterach canariensis; Asplenium Hemionitis lernten wir schon in der Barrancoflora kennen. Auf den Bäumen hat sich ein Engelsüß, Polypodium Teneriffae, angesiedelt. Von den übrigen Waldkräutern interessiert uns am meisten die insektenfangende Drusa oppositifolia. - Welch ein Kontrast zwischen der Gehängeflora der sonnverbrannten Küste, deren Gewächse auf das Extremste der Trockenheit angepaßt sind und uns an das afrikanische Klima erinnern, und dem Lorbeerwald! Hier ist der Boden mit einem intensiv grünen Teppich der zierlichsten Farn und anderer saftiger Waldkräuter bedeckt; darüber hinaus ragen üppige Büsche, über und über mit Blüten und Früchten besät. Hoch empor aber steigen die bizarren Stämme und Äste der Lorbeerbäume, deren immergrünes Laub sich oben zu einem tiefschattenden Blätterdache wölbt. Nur vereinzelt dringen die Sonnenstrahlen hindurch, das feierliche Dunkel mit huschenden Lichtern belebend. Die feuchte Waldluft wirk anregend und erfrischend; den Blumenkelchen der Bodenflora entsteigt ein würziger Duft, und ab und zu erschallt der muntere Schlag des Kanarienvogels.

Der Hartbusch, der die trockenen Hänge der montanen Region inne hat, setzt sich zusammen aus der Baumerika, die im März und April mit weißen Blütenglöckchen über und über behangen ist, Myrica Faya, die braungrünes, lederiges Laub besitzt, und dem Adlerfarn, dessen trockene Blätter den Niederwald überall erfüllen. Verbreitet ist das schmucke Asplenium Adiantum nigrum; überall blühen auch schöne, rote Kompositen, die aller der Gattung Pericallis angehören.

Der Gürtel des Lorbeerwaldes und des Hartbusches ist stellenweise unterbrochen durch die Kulturen des Menschen. Der Feldbau steigt bis 1000 m empor; Weizen und Lupinen werden angepflanzt. Hier gedeihen auch die europäischen Obstbäume, ferner die Edelkastanie, die sich manchenorts in dieser Höhe recht heimisch gemacht hat. Mit ihr sind andere europäische Pflanzen eingewandert, so Sorothamnus und Ulex.

Von 1600 m an ändert sich der Charakter Vegetation. Es treten große Kiefernbestände auf, alle gebildet durch die kanarische Pinie, den Tea der Spanier. Ihr verdanken sie den Namen, mit dem sie auch in der Wissenschaft belegt werden: Pinar. Habituell weicht Pinus canariensis von unserer Föhre dadurch ab, daß die Verastung bis an den Boden reicht. Die Äste des Baumes werden nach oben kürzer; erst im Alter rundet sich die Krone ab, wodurch die Pflanze ein arvenähnliches Aussehen bekommt. Früher ging der Wald tiefer. Die Bäume, die wir noch in der Küstenregion finden, zeigen mehr mediterranen Typus: dünnen Stamm, hohe Aststellung, schirmförmige Krone, kürzere Nadeln. Die kanarische Föhre zeigt derart in schönster Weise die Entwicklung zur endemischen Form; die kräftigere Ausbildung von Stamm und Krone hängt mit den Winden zusammen, welche wie in unsern Bergen eine gedrungenere Gestalt verlangen; die verlängerten Nadeln bieten nicht nur der zerreißenden Kraft derselben weniger Angriffspunkte, sondern sich angepaßt an die häufigen Nebel, welche in der Passatwolkenregion oft statt der Niederschläge auftreten. Die langen Nadeln kondensieren den Nebel, und die gebildeten Wassertröpfchen laufen an ihnen rasch ab. Da die Pinie bedeutende Temperaturdifferenzen erträgt, so ist sie eigentlich an keine bestimmte Region gebunden; vom Meere dringt sie aufwärts bis 2500 m. Heute müssen wir allerdings die Region von 1400-2000 m als den eigentlichen Kieferngürtel bezeichnen. - Das Unterholz des Pinars, dessen Bäume nur lockere Bestände bilden, besteht außer einigen Genisten und einem Daphne besonders aus zwei Cistrosen, Cistus monspeliensis mit weißen, C. vaginatus mit großen roten Blüten. Auf ihren Wurzeln schmarotzt wie im Mittelmeergebiet der rote Cytinus Hypocystis. Die Krautvegetation weist auf Helianthemum guttatum, Asphodelus ramosus und Nothochlaena Marantae, einen vielfiedrigen Farn. In höhern Lagen mischen sich in den Buschwald zwei gelbblühende Adenocarpus, sparrige Sträucher, von denen A. Frakenoides über dem Pinar noch eigene Bestände bildet. Vergesellschaftet damit finden wir dort die ihm ähnliche Micromeria julianoides. - Der Eindruck des Pinars in der Bergregion von Tenerife ist ein gewaltiger. Mächtig streben die wetterfesten Bäume über das weiß und rot blühende Unterholz empor; geheimnisvoll rauschen die alten Kronen im Winde, und während von tief unten zwischen den Stämmen das brandende Meer heraufblaut, leuchtet von oben der schneebedeckte Pik herein. Gelegentlich läßt der kanarische Buntspecht sein Hämmern oder der Teydefink, der den Piniensamen nachstellt, sein Rufen hören.

Am obern Rand des Pinars bildet Cytisus proliferus einen Buschwald. Die 5 m hohen Bäume stehen im April in prächtig weißem Blütenschmucke da. An der obern Grenze des Wolkengürtels aber ändert sich die Physiognomie der Landschaft völlig. Das ist die dritte große Region der Insel, die Zone der Retama, des Spartocytisus supranubius. Diese seltsame Pflanze bildet große, gelbgrüne, igelförmige Büsche, die zu Tausenden über die monotonen Steinwüsten zwischen 2000-2500 m Höhe, vereinzelt bis 3000 m, ausgestreut sind. Meist sind sie trostlos kahl; nur im Mai und Juni findet man die Zweige mit winzigen Blättchen und großen
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Retamawüste in den Cañadas
weißen Blüten bedeckt, welche von Bienen massenhaft umsummt werden. Und diese Hügelbüsche beherrschen das ganze Areal in seltener Exklusivität. Nur spärlich sprießen andere Pflanzen zwischen ihnen auf, so die obengenannte Micromerie, Arabis albida, welche an die alpinen Arten erinnert, Nepeta Teydea, eine endemische Form, Erodium cicutarium, das auch bei uns vorkommt, einige Gräser (Festuca, Aria) u. a. Am höchsten hinauf, gelegentlich über 3000 m, gehen die graue Silene nocteolens und das berühmte Pikveilchen, Viola cheiranthifolia. Beide sind aus europäischen Arten hervorgegangen; der eigenartige Boden und das trockene Klima haben dieselben zu endemischen Gewächsen umgestaltet. Es sind ausdauernde Kräuter mit langen Wurzeln; die dünnen Sprosse sind mit lanzettlichen, dicht behaarten Blättern besetzt. Beide blühen gleichzeitig mit der Retama; das Pikveilchen lockt die dann anwesenden Bienen durch große, amethystblaue Blumen mit gelbem Auge, die Silene durch den Duft ihrer weißen Blüten herbei.

Diese beiden Pflanzen beschließen die Phanerogamenvegetation noch oben. Die ungünstige Beschaffenheit des Substrates - unzersetzte Laven, nahrungsarme Bimssteinhänge - in Verbindung mit dem wüstenartigen Klima verhindern eine weitere Ansiedlung von Pflanzen. Nur genügsame Algen, Flechten und Moose vermögen noch ein kümmerliches Dasein zu fristen. So bedecken die krustenförmige Lecanora und Parmelia, die Geographieflechte und Cladonie die Lavatrümmer bis hinauf zum Gipfel des Piks. Selbst im Krater desselben kommen noch zwei Moose vor, Frullania nervosa, ein endemisches Pflänzchen, und Weissia verticillata, das kleine dichte Polster bildet. Scytonema, eine blaugrüne Alge, scheint hier wie anderwärts (Krakatau) der erste Pionier auf vulkanischem Gestein zu sein.

Welch eine Fülle des Interessanten bietet das Studium der kanarischen Pflanzenwelt! Floren von vier verschiedenen Kontinenten sind hier auf ein eng umschriebenes Gebiet zusammengedrängt. Dazu finden sich eine außerordentlich große Anzahl von Pflanzen, die nirgend anderswo vorkommen; dank der Abgeschlossenheit der Inseln ist es aber nicht schwer, deren Entstehung zum Teil wenigstens auf ihre Ursachen zurückzuführen. In seltener Vollkommenheit und Schärfe sind ferner auf Tenerife alle Vegetationszonen ausgeprägt von dem Küstengebiet mit seinen Gärten und Kulturen bis hinauf zum Pik, wo aller Phanerogamenwuchs aufgehört hat. So darf es uns nicht wundern, wenn jeder Naturfreund, im besondern aber der Botaniker, mit stolzer Befriedigung an die glückliche Insel zurückdenkt, wo er eine reiche, unter südlicher Sonne herausgebildete Pflanzenwelt kennen lernen durfte.


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Erstellt am 6. August 2001 von Kurt Stüber.